Von Liebe und Gift
Steinert sofort nach.
Da weiteten sich Frau Dresens Augen. „Sie wissen es noch gar nicht?“, sagte sie ganz überrascht. „Der Anderson, der nimmt Drogen. Ist das nicht skandalös? So etwas in unserem Haus!“
„Drogen?“, wiederholte Herr Steinert. Er wurde ganz blass. „Sind Sie sicher?“
Frau Dresen bestätigte das mit heftigem Kopfnicken. „Ja, bestimmt! Ich habe selbst mitbekommen, wie die ganze Sippschaft hier in unserem Hausflur darüber geredet hat. Und der Herr Anderson lehnt sogar eine Therapie ab. Stellen Sie sich das vor!“
„Oh, das ist ja fürchterlich!“, äußerte sich Frau Steinert mit einem spitzen Tonfall. Sie legte ihre Hand auf ihren Mund vor Entsetzen. Unsicher sah sie ihren Mann an. „Ich verstehe das nicht. Der Neal machte immer so einen vernünftigen Eindruck! Und nun Drogen?“
Frau Dresen fuhr sofort dazwischen: „Oh, das täuscht, sag ich Ihnen. Was glauben Sie, was hier im Haus erzählt wird?“ Sie sah sich kurz um, doch niemand außer ihnen stand im Eingang. „Der Anderson soll eine Beziehung zu seiner eigenen Schwester haben. Und der Junge, der hier wohnt, der kleine Nicholas - der ist mit Sicherheit ihr gemeinsames Kind.“
„Bitte?“ Herr Steinert traute seinen Ohren nicht. Und auch das Gesicht seiner Frau zeigte blankes Entsetzen.
„Das ist wohl Ironie des Schicksals“, äußerte sich Thilo nachdenklich. „Vor ein paar Monaten haben wir noch drüber gelacht, als wir den Artikel im Select gelesen haben, nun hängt er wirklich an der Nadel.“
Er verzog unzufrieden das Gesicht.
„Kann man denn gar nichts tun?“, fragte Christen. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch in der Anderson Firma, ihre Augen waren ganz weit geworden, als sie von Neals Drogensucht erfuhr.
Thilo zuckte mit den Schultern.
„Man könnte es mit einer Zwangseinweisung probieren, aber solange Neal keine Therapie will, kann man ihn nicht festhalten.“
Christen seufzte. „Das ist wirklich schrecklich.“
Thilo nickte. Er sah auf die Uhr. Er wollte Francis zum Mittagessen abholen und vielleicht gemeinsam nach einer Lösung für Neals Problem suchen. Aber Francis hatte noch etwas mit ihrem Vater zu besprechen und war nicht anwesend.
„Wir tun derzeit alles, um ihm zu helfen“, erklärte er Christen, aber jene verzog das Gesicht.
„Also mir wäre das ehrlich gesagt etwas unheimlich, mit einem Junkie zu tun zu haben.“
Das verstand Thilo nun gar nicht.
„Du siehst lieber weg, bevor du jemandem hilfst?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte sich ebenfalls etwas Besseres vorstellen, als den Drogenberater zu mimen, aber seinen Freund konnte er trotz alledem nicht im Stich lassen. „Neal braucht jetzt Freunde, die zu ihm halten, die ihn ablenken, etwas mit ihm unternehmen. Er muss wieder Freude am Leben haben, dann will er vielleicht auch clean werden, verstehst du?“
Christen verstand es wohl, trotzdem hatte sie ihre Zweifel.
„Es ist sicher nicht einfach mit ihm klarzukommen, oder?“ Unsicher sah sie Thilo an. „Ich meine, ich kenne ihn kaum, doch er wirkt auf mich so sprunghaft, so unberechenbar. Meist guckt er ernst und finster, das macht mir richtig Angst – und dann sehe ich ihn, wie er liebevoll mit Francis umgeht. Da denke ich: das kann doch nicht derselbe Mann sein?“
Thilo lachte auf, als er das hörte.
„So ist er eben, das muss man akzeptieren.“ Er lächelte Christen an, obwohl ihm wieder bewusst wurde, dass er ihre Lebenseinstellung nicht teilen konnte. Sein Gesicht erhellte sich, als Francis endlich ins Büro trat.
„Ich bin soweit“, sagte sie. „Von mir aus können wir los.“
Am späten Nachmittag waren Gero und Neal zusammen in der WG. Sie lagen auf dem Bett, während Neal in einem Medizinbuch blätterte und seinen Freund diverse Sachen abfragte:
„Was ist denn Aszites?“ Neal runzelte die Stirn, sah sich die Bilder im Buch genau an.
„Aszites ist Flüssigkeit in der Bauchhöhle.“
„Aha.“ Neal blätterte weiter. „Und Briden?“
„Verwachsungen.“
Neal lächelte neckisch. Prüfend sah er seinen Freund an.
„Was sind Androgene?“
Auch Geo fing augenblicklich an zu grinsen. „Das sind männliche Sexualhormone.“
Neal nickte anerkennend. „Wieso soll ich dich abfragen? Du kannst doch alles.“
Er lehnte sich zurück und klappte das Buch zu.
Gero seufzte. „Ich fühle mich einfach sicherer, wenn ich noch mal alles durchgehe.“
Da hob Neal eine Augenbraue. „Was ist, wenn ich jeden
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