Von Liebe und Gift
„Mama!“, schrie Gero in Panik versetzt. „Das kannst du nicht machen!“
„Sicher!“, bekam er zu hören. „Mit so einem Gesindel wollen wir nichts zu tun haben.“
Da drehte sich Neal um. Sein Blick war ernst, doch hatte er sich unter Kontrolle.
„Sie machen sich das wirklich einfach …“, sagte er und schüttelte erneut den Kopf.
„Nun werden Sie nicht auch noch frech!“, konterte Herr Steinert. Abfällig sah er Neal an. „Sehen Sie sich doch mal an, wie Sie herumlaufen! Sie sind kein Umgang für meinen Sohn. Und überhaupt hat er es nicht nötig, sich mit einem Mann abzugeben. Das wird sofort aufhören!“
Da lachte Neal gestelzt auf. „Das glauben Sie ja wohl selbst nicht!“
„Unverschämt sind Sie!“, kam Frau Steinert wieder zu Wort. „Eine Schande ist es, dass sich mein Sohn auf Sie eingelassen hat. Aber das hat ab jetzt ein Ende!“
Neal verdrehte die Augen. Er war es leid, diesem unsinnigen Gespräch beizuwohnen. Kopfschüttelnd verließ er das Zimmer und knallte hinter sich die Tür zu. Eine Geste, die in Gero eine tiefe Beklemmung hervorrief.
Was Neal wohl dachte? Es war alles so peinlich. In seinem Alter standen die meisten schon auf eigenen Beinen, und er? - Ließ sich von seinen Eltern herumkommandieren, ließ sich Vorschriften machen, wie ein Kleinkind, dabei war er doch längst erwachsen. Konnten sie das denn wirklich tun? Ihm den Umgang mit Neal verbieten? Womöglich war es Neal zu doof, mit so einem Weichei befreundet zu sein? Gero wurde immer mulmiger zumute.
„Du packst jetzt das nötigste ein und kommst mit uns!“, hörte er seine Mutter sagen.
Gero schluckte. Er wusste wirklich nicht, was er machen sollte. Doch die Angst, Neal verlieren zu können, gab ihm die Kraft, sich zu widersetzen.
„Ich gehe nicht mit“, sagte er mit zitternder Stimme. „Ich bleibe hier!“
Neal hatte die WG natürlich nicht verlassen. Er ließ sich von den Steinerts nicht einschüchtern, doch wollte er sich einfach nicht mehr tadeln lassen. Er hoffte inbrünstig, dass Gero alleine klarkommen und das richtige machen würde.
Thilo leistete ihm im Wohnzimmer Gesellschaft. Das Gespräch am Mittag mit Francis hatte keine wirkliche Lösung ergeben. Und jetzt flippten auch noch Geros Eltern aus!
„Schlechter Film, was?“, sagte er. „Die spielen sich ganz schön auf.“
Neal wägte ab. „Sie wollen ihren Sohn bloß nicht bei einem Junkie wissen. Ist doch klar, dass sie sich sorgen.“
„Und du lässt dir das alles so gefallen?“, fragte Thilo verblüfft.
Sofort schüttelte Neal den Kopf. „Ganz sicher nicht. Die können mir nicht nehmen, was mir am liebsten ist.“
In Geros Zimmer ging derweilen die Diskussion weiter.
„Wie kannst du dich an einen Versager klammern?“, fragte Frau Steinert. Sie sah ihren Sohn an, als sei er ihr fremd geworden. „Einen Drogenabhängigen? Er hat dich doch sicher nur ausgenutzt.“ Sie verzog das Gesicht. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie du mit ihm …“ Sie stoppte. Der ermahnende Blick ihres Mannes beendete ihren Redefluss.
„Ich glaube, ihr seid die letzten, die sich über Neal und mich ein Urteil erlauben dürfen“, gab Gero zu verstehen. Er wollte nicht klein beigeben, ganz sicher nicht.
„Okay“, fing Herr Steinert dann an. „Entweder kommst du mit uns, oder wir streichen dir das Wohngeld. Für dieses Zimmer zahle ich keinen Cent mehr!“
Gero schluckte. Auch damit konnte er leben. Er würde schon irgendwie über die Runden kommen.
„Ich bleibe hier…“, sagte er konsequent.
„Ich möchte dich nicht mehr sehen, solange du diesen Neal Anderson triffst!“, drohte Herr Steinert weiter. Es waren ernste Worte, die Frau Steinert sofort die Tränen in die Augen trieben .
„Das ist mir egal“, konterte Gero. Aber man sah ihm förmlich an, dass ihm diese Aussage nicht leicht fiel.
„Sollen wir erst zur Polizei gehen?“, fragte Herr Steinert provokativ.
Gero schüttelte den Kopf. „Das könnt ihr nicht machen!“
„Dann kommst du gefälligst mit!“
„Nein!“
Herr Steinert wandte sich ab. „Du wirst schon sehen, was du davon hast!“ Er ging zur Tür und verschwand ohne weitere Worte.
„Junge, bitte, sei doch vernünftig:“ Frau Steinert versuchte es noch ein letztes Mal, aber Gero ließ nicht mit sich reden.
Er schüttelte den Kopf.
Da gab auch seine Mutter auf. Sie drehte sich um und verließ schluchzend die WG.
Gero blieb allein zurück. Er senkte den Kopf. Am liebsten hätte
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