Von Liebe und Gift
weitergehen!“
Gero senkte den Kopf. Natürlich wusste er das alles. Er selbst hatte schon oft genug auf Neal eingeredet. Doch hatte das etwas gebracht? Hatte es Neal überzeugt? Es schien, als hätte es ihn nur noch verbissener und abweisender gemacht. Und er wollte die Beziehung zwischen ihnen auch nicht durch ständiges Jammern belasten.
Im Hintergrund wurde plötzlich wieder lautes Geschrei hörbar.
„Hau ab!“, rief Neal verärgert.
„Das ist furchtbar“, entwich es Gero, als er das hörte. Auch Francis wirkte deutlich mitgenommen. „Ich muss ihn beruhigen“, sagte sie gewissenhaft. Obwohl es ihr schwer fiel, schickte sie Gero zurück in die WG.
„Es ist besser, wenn du uns mal alleine lässt“, sagte sie.
„Aber …“ Gero schluckte trocken.
„Ich komme nachher zu dir rüber“, versprach Francis. „Dann erkläre ich dir alles.“
So, so, dachte sich Frau Dresen, die im Erdgeschoss stand und dem Geschrei im Treppenhaus gelauscht hatte, der Anderson ist also drogenabhängig …
„Na, das war’s dann wohl für heute“, sagte Dirk, als er die Wohnung verlassen wollte, „aber so schnell gebe ich nicht auf, ganz sicher nicht.“
Francis sah ihn dankbar an, und doch wirkte sie noch immer betrübt. „Neal ist schwierig zurzeit.“ Sie griff sich an den Kopf. „Wieso hat er bloß mit dem Mist angefangen? Ich kann das immer noch nicht begreifen …“
Dirks Stirn legte sich in Falten. „Also, dass er aus Einsamkeit in London mal zu Koks gegriffen hat, das kann ich ja noch verstehen …“ Er machte eine nachdenkliche Pause. „Aber jetzt dürfte er doch eigentlich wieder zufrieden mit allem sein …“ Er sprach das aus, was auch Francis längst ahnte. „Es muss weitere Gründe für seine Sucht geben und zudem glaube ich, dass Neal längst körperlich abhängig ist.“
„Mmh“, stimmte Francis zu. „Er hat mir schon erzählt, was ihn so belastet, aber deswegen muss man doch keine Drogen nehmen.“ Sie seufzte und sah auf die Uhr. „Es ist lieb, dass du dir so viel Zeit für ihn genommen hast. Ich muss jetzt aber erstmal zu Gero, und ihm die Sache hier erklären. Er macht sich sicher schon Sorgen.“
Als Dirk das vernahm, wurde er hellhörig. „Ach, dieser weinerliche Typ vorhin im Flur, das war Gero? Neals Freund?“
Francis nickte. „Er ist nicht weinerlich, nur besorgt und vielleicht etwas sensibel.“ Sie lächelte, als sie an Geros feinfühliges Gemüt dachte.
„Na, also mir schien er eher etwas naiv“, erwiderte Dirk. „Merkt er denn gar nicht, was mit Neal los ist? Wir haben lange genug gewartet und können langsam nicht mehr das tun, was Neal will. Wir müssen ihn zu dieser Therapie bringen, bevor es zu spät ist.“
Francis senkte den Kopf. „Ich weiß.“
„Dieser Gero wohl aber nicht“, stellte Dirk fest. Er sprach deutlich aus, was er dachte. „Hol ihn mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, sonst wird er Neal nicht helfen können, obwohl er sein Freund ist.“
Als Francis kurze Zeit später in Geros Zimmer trat, musste sie noch immer an Dirks Worte denken. War Gero wirklich so naiv? Ihr selbst war ja schon öfter aufgefallen, wie sehr sich Gero von seinem Freund vereinnahmen ließ. Und dass dies Dirk auf den ersten Blick auffiel, war fast unheimlich.
„Wieso kommst du so spät?“, fragte Gero sofort. „Was habt ihr denn da drüben so lange gemacht ohne mich?“
„Diskutiert, rumgeschrien, mit den Türen geknallt … Es war schrecklich.“
Sie blickte auf den Boden, als sie daran dachte, wie sehr sich Dirk und ihr Bruder gefetzt hatten. Und sie stand mitten drin, konnte nichts machen.
„Ihr konntet Neal also nicht zur Therapie überreden?“, wollte Gero wissen.
Francis schüttelte den Kopf. „Nein, aber wir werden nicht aufgeben. Irgendwann muss er doch zur Vernunft kommen, oder?“ Fragend sah sie Gero an. In Ihren Augen spiegelte sich eine große Unsicherheit wieder.
Gero nickte. „Ich hoffe, dass er zur Vernunft kommt. Ich glaube an ihn“, sagte er. Oder machte er sich nur etwas vor? Er wollte in diesem Moment nicht darüber nachdenken und sprach deswegen eine andere Sache an:
„Wer war der Mann vorhin? Er war merkwürdig. Was will der von Neal?“
Francis setzte sich auf das Bett und deutete neben sich. Sie hatte mit dieser Frage gerechnet und wollte es Gero so schonend wie möglich erklären. Wer wusste denn, wie Gero reagieren würde, würde er erfahren, dass …
„Also, ich sagte ja schon,
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