Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
Vom Netzwerk:
noch die Gipfel des Gabilan-Gebirges flammten im Sonnenlicht, welches das Tal verlassen hatte. Eine Wasserschlange schlüpfte über den See, das Köpfchen hochhaltend wie ein kleines Periskop. Das Schilf bog sich leicht in der Strömung. Weit weg auf der Landstraße rief ein Mann etwas, und ein anderer rief etwas zurück. Die Äste des Maulbeerbaumes raschelten unter einem Windhauch, der sich aber gleich darauf legte.

    12
    »George, warum geh’n wir nich zu der Farm un krieg’n was zu essen. Es gibt Nachtessen auf der Farm.«
    George rollte auf ihn zu. »Das is gar nicht sicher. Hier gefällt’s mir. Morgen wer’n wir arbeiten geh’n. Hab schon Dreschmaschinen auf dem Weg hinunter gesehn. Das be-deutet, daß wir Kornsäcke laden werden, bis uns die Ge-därme platzen. Heut abend will ich hier liegen un hoch gucken. Gefällt mir so.«
    Lennie hockte auf den Knien und blickte zu George hinunter. »Ha’m wir dann kein Nachtessen?«
    »Doch, natürlich, wenn du ’n paar dürre Weidenzweige sammelst. Hab’ drei Büchsen Bohnen im Bündel. Mach du das Feuer. Wenn du die Zweige zusammen hast, geb ich dir ein Zündholz. Dann machen wir de Bohnen warm und essen zu Nacht.«
    Lennie bemerkte: »Ich eß gern Bohnen mit Ketchup.«
    »Schön, aber wir haben halt kein Ketchup. Nu geh un such Holz. Un bummle nich rum. Nich mehr lang, un ’s is finster.«
    Lennie machte sich schwerfällig auf die Füße und verschwand im Gebüsch. George blieb liegen und pfiff leise vor sich hin. Plötzlich hörte er Wassergeplätscher vom Fluß her, aus der Richtung, in der Lennie davon war.
    George hörte auf zu pfeifen und lauschte. »Armer Bastard«, sagte er leise, und er fuhr fort zu pfeifen.
    Einen Augenblick später kam Lennie geräuschvoll durch die Büsche zurück. Er trug eine kleine Weidengerte in der Hand. George richtete sich auf. »Na«, sagte er schroff.
    »Gib mir die Maus.«
    Aber Lennie machte eine wohleinstudierte Geste der Un-schuld. »Was für ’ne Maus, George? Hab keine Maus.«
    George streckte seine Hand aus. »Komm, komm. Gib se her. Du beschwindelst mich nich.«
    Lennie zögerte, trat zurück und blickte wild die Busch-13
    linien entlang, als überlege er, in die Freiheit zu entrinnen.
    George sagte kühl: »Gibste mir die Maus, oder muß ich dich erst versohlen?«
    »Was soll ich dir geben?«
    »Verflucht, du weißt wohl, was. Die Maus will ich haben.«
    Widerstrebend griff Lennie in seine Tasche. Seine Stimme brach fast. »Weiß nich, warum ich se nich behalten darf. Is doch niemands Maus. Hab se nich gestohlen.
    Hab se dicht am Weg liegen sehn.«
    Georges Hand blieb befehlend ausgestreckt. Langsam, wie ein Terrier, der keine Lust hat, seinem Herrn den Ball zu bringen, näherte sich Lennie, zog sich zurück, kam wieder näher. George schnappte scharf mit den Fingern.
    Daraufhin legte Lennie die Maus in seine Hand.
    »Wollte doch nix Schlechtes damit machen, George.
    Bloß streicheln.«
    George erhob sich und schleuderte die Maus, so weit er konnte, ins dunkle Gebüsch, und dann ging er zum Teich und wusch sich die Hände. »Narr, verrückter. Denkst, ich konnte nich sehn, daß deine Füße naß waren, wo du über den Fluß gegangen bist, um se zu holen?« Er hörte Lennies wimmernde Schreie und ging erregt umher. »Flennst wie ’n Baby! Jesus Christus! Ein großer Bursche wie du!«
    Lennies Lippen bebten, Tränen stürzten in seine Augen.
    »Ach, Lennie!« George legte die Hand auf seine Schulter.
    »Hab’ se dir nich aus Gemeinheit weggenommen. Sieh, die Maus war nich frisch, Lennie. Außerdem haste se beim Streicheln durchgebrochen. Find dir ’ne andre Maus, und wenn se frisch is, darfst du se ’n bißchen behalten.«
    Lennie hockte auf den Boden nieder und ließ den Kopf niedergeschlagen hängen. »Weiß doch nich, wo eine andre Maus is. Ich erinner’ mich, eine Dame gab mir immer welche – jede Maus, die sie kriegen konnte. Aber die Dame is nich hier.«

    14
    George blickte spöttisch drein. »Dame? Puh – besinnst dich nich mal, wer die Dame war. War deine eigne Tante Klara. Und schließlich hat se dir keine mehr gegeben.
    Weil du se immer tot machtest.«
    Lennie sah traurig zu ihm auf. »Se waren so klein«, sagte er entschuldigend. »Ich hab se gestreichelt, und bald bissen se mich in de Finger und dann zwickte ich se ’n bissel am Kopf – und schon war’n se tot – weil se so klein war’n. Ich wünschte, wir könnten bald ein paar Kaninchen fangen, George. Die sind nich so klein.«
    »Zum

Weitere Kostenlose Bücher