Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
draufdrücken. Um die Blutung zu stillen.«
» Hände weg, hab ich gesagt.«
Ich wollte schon etwas zu meiner Verteidigung sagen, dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Es war Win. Er schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: Das hat doch keinen Sinn. Er hatte recht.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließen wir den Wald.
Als ich eine Stunde später zu Hause ankam, hatte ich zwei Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter. Beide waren kurz und sehr prägnant. Die erste war keine große Überraschung. Schlechte Nachrichten verbreiten sich in kleinen Städten sehr schnell.
Ali sagte: » Einfach unglaublich, dass du das Versprechen gebrochen hast.«
Mehr sagte sie nicht.
Ich seufzte. Gewalt löst keine Probleme. Win hätte zwar das Gesicht verzogen, wenn er das gehört hätte, trotzdem stimmte es: Immer, wenn ich bei der Lösung eines Problems auf Gewalt zurückgriff, was früher häufiger geschehen war, war die Sache damit nie ausgestanden. Gewalt löst Wellen aus, die dann irgendwo abprallen und zurückkommen. Diese Wellen werden dann immer wieder zurückgeworfen, ebben vielleicht etwas ab, können sich aber auch überlagern und neu aufbauen, auf jeden Fall scheinen sie sich nie ganz zu legen.
Die zweite Nachricht auf dem Anrufbeantworter war von Terese.
» Komm bitte.«
Sie versuchte nicht mehr, ihre Verzweiflung zu verbergen.
Zwei Minuten später vibrierte mein Handy. Im Display sah ich, dass es Win war.
» Wir haben hier ein kleines Problem«, sagte er.
» Inwiefern?«
» Assistenztrainer Pat, der Mann, der sich einer Knieoperation unterziehen muss.«
» Was ist mit ihm?«
» Er ist Polizist in Kasselton. Captain der dortigen Polizei, um genau zu sein, aber ich werde ihn nicht fragen, ob ich zum Abtanzball seine Teamjacke tragen darf.«
» Oh«, sagte ich.
» Offensichtlich erwägen sie, die eine oder andere Festnahme zu tätigen.«
» Sie haben damit angefangen«, sagte ich.
» Oh, aber selbstverständlich doch«, sagte Win. » Und ich bin sicher, dass jeder im Ort deiner Aussage eine weitaus größere Bedeutung beimessen wird als den Aussagen eines einheimischen Polizisten und dreier unbescholtener Bewohner des Ortes, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben.«
Er hatte nicht ganz unrecht.
» Ich dachte allerdings«, fuhr er fort, » dass wir uns für ein paar Wochen zur Entspannung nach Thailand zurückziehen könnten, während mein Anwalt sich der Sache annimmt.«
» Keine schlechte Idee.«
» Ich habe von einem neuen Gentlemen’s-Club in Bangkok in der Nähe der Patpong gehört. Das wäre doch ein guter Ausgangspunkt für unsere Reise.«
» Das ist nichts für mich«, sagte ich.
» Sei nicht so prüde. Auf jeden Fall solltest du dich ein bisschen rarmachen.«
» Das hatte ich ohnehin vor.«
Wir legten auf. Ich rief Air France an. » Ist in der heutigen Abendmaschine nach Paris noch ein Platz frei?«
» Ihr Name, Sir?«
» Myron Bolitar.«
» Sie sind schon für den Flug gebucht. Das Ticket liegt bereits hier. Möchten Sie lieber am Gang sitzen oder am Fenster?«
4
Mit meinen Vielflieger-Meilen besorgte ich mir ein Upgrade für die Business-Klasse. Der Gratis-Alkohol und das bessere Essen interessierten mich nicht, aber die Beinfreiheit war mir wichtig. In der Economy-Klasse bekam ich immer einen Sitz in der Mitte zwischen zwei gewaltigen Hünen mit Platzangst, und vor mir saß ganz garantiert eine winzige alte Dame, deren Füße nicht einmal den Boden berührten, die aber trotzdem die Lehne so weit wie möglich nach hinten klappen musste und fast sexuelle Befriedigung daraus zog, wenn sie das Knirschen auf meinen Knien hörte, während sie sich so weit nach hinten legte, dass ich den ganzen Flug die Schuppen auf ihrer Kopfhaut zählen konnte.
Ich hatte zwar keine Telefonnummer von Terese, erinnerte mich aber noch an den Namen des Hotels. Also rief ich im Hotel d’Aubusson an und ließ ihr ausrichten, dass ich unterwegs war. Als ich im Flugzeug saß, stopfte ich mir die Ohrhörer meines iPods in die Ohren. Kurz darauf befand ich mich in meinem üblichen Flugzeug-Halbschlaf und dachte dabei an Ali, die erste Frau mit Kindern, mit der ich eine Beziehung gehabt hatte, eine Witwe, und wie sie sich umgedreht und zu mir gesagt hatte: » Unsere Beziehung ist doch nichts für die Ewigkeit, Myron…«
Hatte sie recht?
Ich versuchte, mir das Leben ohne sie vorzustellen.
Liebte ich Ali Wilder? Ja.
Drei Frauen hatte ich geliebt. Die erste war Emily Downing, meine Uni-Liebe
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