Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
auf der Duke. Sie hatte irgendwann Schluss gemacht und mir einen Rivalen von der University of North Carolina vorgezogen. Meine zweite Liebe, diejenige, die dieser berühmten › Liebe des Lebens‹ vielleicht am nächsten kam, war die Schriftstellerin Jessica Culver gewesen. Aber auch Jessica hatte mein Herz zerquetscht wie einen Styropor-Becher– oder hatte ich vielleicht am Ende ihres zerquetscht? Das ließ sich nicht mehr so genau sagen. Ich hatte sie mit Leib und Seele geliebt– aber selbst das hatte nicht gereicht. Sie war jetzt verheiratet. Mit einem Herrn Stone. Stone– kein Witz.
Die dritte, tja, das war Ali Wilder. Ich war das erste Date, das sie hatte, seit ihr Mann am 11. September im Nord-Turm gestorben war. Es war eine starke Liebe gewesen, aber sie war auch reifer und ruhiger als die Vorgänger, und vielleicht durfte richtige Liebe ja gar nicht so sein. Ich wusste, dass der Abschied wehtun würde, aber er würde mich nicht umhauen. Ich fragte mich, ob auch das etwas mit Reife zu tun hatte oder ob man einfach vorsichtiger wurde, wenn einem das Herz schon so oft gebrochen worden war.
Aber vielleicht hatte Ali auch einfach recht. Unsere Beziehung war nichts für die Ewigkeit. Schlicht und ergreifend.
Es gibt einen alten jiddischen Spruch, der meiner Meinung nach gut passt– auch wenn das nicht unbedingt schön ist: Der mentsch tracht un gott lacht. Ich bin ein Paradebeispiel dafür. Ich hatte einen ziemlich klaren Lebensplan vor Augen. Meine ganze Jugend war ich ein Basketballstar, und ich hatte sogar schon einen Profivertrag als NBA-Profi bei den Boston Celtics. Dann rannte Big Burt Weston mich in meinem ersten Vorbereitungsspiel um, und mein Knie war hinüber. Ich hatte unverdrossen ein Comeback versucht, aber zwischen Unverdrossenheit und Effektivität besteht ein himmelweiter Unterschied. Meine Karriere war schon zu Ende, bevor ich mein erstes Profispiel gemacht hatte.
Außerdem war mir immer klar gewesen, dass ich ein Familienvater werden würde, genau wie der Mann, den ich auf der Welt am meisten bewunderte: Al Bolitar, meinen Vater. Er hatte seine Liebste, meine Mutter Ellen, geheiratet, war mit ihr nach Livingston in New Jersey gezogen, einen Vorort von New York City, hatte dort eine Familie gegründet, hart gearbeitet und im Garten Grillabende veranstaltet. Und so hatte ich mir auch mein Leben vorgestellt– als ordentlicher Ehemann mit zwei Komma sechs Kindern, der nachmittags auf einer wackeligen Tribüne saß und seine Kinder anfeuerte. Dazu kam vielleicht noch ein Hund, ein rostiger Korb über der Garage, und samstags fuhr man regelmäßig zum Baumarkt oder zum Sportgeschäft. Sie verstehen, was ich meine.
Aber hier bin ich nun, mit über vierzig Jahren, immer noch nicht verheiratet und ohne Familie.
» Was würden Sie gern trinken?«, fragte die Stewardess.
Ich trinke nicht viel, ließ mir aber einen Scotch mit Soda geben. Wins Drink. Ich brauchte etwas, das müde machte, mir beim Einschlafen half. Wieder schloss ich die Augen. Einfach zumachen. Zumachen war gut.
Wie also passte Terese Collins da hinein, für die ich jetzt über einen Ozean flog?
Was Terese betraf, hatte ich nie in Begriffen wie Liebe gedacht, zumindest nicht diese Art von Liebe. Ich hatte an ihre zarte Haut und den Geruch von Kakaobutter gedacht. Ich hatte an den Kummer gedacht, der sie immer wieder in Wellen übermannte. Ich hatte daran gedacht, wie wir uns auf der Insel geliebt hatten– wie zwei Gestrandete, die gerade eine Katastrophe überlebt hatten. Als Win mich schließlich auf einer Jacht abholen gekommen war, hatte die gemeinsam verbrachte Zeit mich gestärkt. Terese nicht. Wir hatten uns verabschiedet, aber das war nicht das Ende der Beziehung gewesen. Vor acht Jahren, als ich Hilfe am dringendsten brauchte, hatte Terese mir geholfen– und dann war sie wieder verschwunden, abgetaucht in ihren tiefen Schmerz.
Jetzt war sie plötzlich wieder da.
In den letzten acht Jahren hatte Terese sich nicht nur vor mir, sondern auch vor der Öffentlichkeit versteckt gehalten. In den Neunzigern war sie eine beliebte Fernsehpersönlichkeit gewesen, die Top-Nachrichtensprecherin von CNN, und dann, puff, war sie verschwunden.
Das Flugzeug landete und fuhr zum Gate. Ich schnappte mir mein Handgepäck– für die paar Nächte brauchte ich keinen Koffer– und überlegte, was mich hier wohl erwartete. Ich hatte die Maschine als Dritter verlassen, und mit meinen langen Schritten war ich auf dem Weg zur Pass- und
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