Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
zulassen, dafür bist du mir zu wichtig.«
Ich verstand das. Und auch wieder nicht. » Nichts für ungut, aber das klingt nach einem Haufen billiger Rechtfertigungen, als hättest du dir das alles im Nachhinein zurechtgebogen.«
» Das hab ich nicht.«
» Wo bist du gewesen, Terese?«
» Ich habe mich versteckt.«
» Wovor?«
Sie schüttelte den Kopf.
» Was soll ich dann hier?«, fragte ich. » Und erzähl mir bitte nicht, dass ich kommen sollte, weil du mich vermisst hast.«
» Nein, das war es nicht. Na ja, ich hab dich schon vermisst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe. Aber du hast recht, deshalb habe ich nicht angerufen.«
» Also?«
Der Kellner erschien mit einer schwarzen Schürze und weißem Hemd. Terese bestellte uns beiden etwas in fließendem Französisch. Ich sprach kein Wort Französisch, konnte also nicht sagen, ob sie mir nicht vielleicht eine Portion Windel-Ausschlag auf Vollkornbrot bestellt hatte.
» Vor einer Woche hat mein Exmann angerufen«, sagte sie.
Bis zu diesem Moment hatte ich nicht einmal gewusst, dass sie verheiratet gewesen war.
» Ich hatte seit neun Jahren nicht mehr mit Rick gesprochen.«
» Seit neun Jahren?«, wiederholte ich. » Das muss ja direkt vor unserem Kennenlernen gewesen sein.«
Sie sah mich an.
» Lass dich nicht von meinen mathematischen Fähigkeiten blenden«, sagte ich. » Rechnen ist eins meiner verborgenen Talente. Ich versuche, nicht zu sehr damit anzugeben.«
» Jetzt fragst du dich, ob ich noch mit Rick verheiratet war, als wir auf die Insel geflüchtet sind«, sagte sie.
» Eigentlich nicht.«
» Du bist immer so verdammt korrekt.«
» Nein«, sagte ich und dachte wieder an das Seelendurchdringende auf der Insel, » bin ich nicht.«
» Ich könnte es bezeugen.«
» Schon wieder«, sagte ich. » Diese verborgenen Talente– aber ich will ja nicht prahlen.«
» Ist auch besser so. Aber, um dein Gewissen zu beruhigen, ich war nicht mehr mir Rick zusammen, als wir uns kennengelernt haben.«
» Und was wollte dein Exmann von dir?«
» Er hat gesagt, er sei in Paris. Es wäre wichtig, dass ich auch komme.«
» Nach Paris?«, fragte ich.
» Nein, zum Six Flag Great Adventure Freizeitpark in Jackson, New Jersey. Natürlich nach Paris.«
Sie schloss die Augen. Ich wartete.
» Entschuldige. Das war unnötig.«
» Schon okay, ich mag es, wenn du so schnippisch wirst.«
» Er hat gesagt, ich soll mir ein Zimmer im Hotel d’Aubusson nehmen.«
» Und?«
» Und das war auch schon alles.«
Ich rutschte im Stuhl nach hinten. » Das war alles? Der ganze Anruf? ›Hi, Terese, hier ist Rick, dein Exmann, mit dem du seit fast zehn Jahren nicht mehr gesprochen hast, komm sofort nach Paris, und nimm dir ein Zimmer im Hotel d’Aubusson. Ach ja, es ist dringend.‹«
» So in der Art.«
» Und du hast ihn nicht zufällig gefragt, warum es denn so dringend ist?«
» Stellst du dich absichtlich dumm? Natürlich hab ich ihn gefragt.«
» Und?«
» Er hat’s mir nicht verraten. Er meinte, er müsse mir das persönlich sagen.«
» Und daraufhin hast du einfach alles stehen und liegen lassen und bist hergekommen?«
» Ja.«
» Nach all den Jahren bist du einfach…« Ich brach ab. » Moment mal. Du hast doch gesagt, dass du dich versteckt hast.«
» Stimmt.«
» Hast du dich auch vor Rick versteckt?«
» Ich habe mich vor allen Leuten versteckt.«
» Wo?«
» In Angola.«
Angola? Ich nahm das erst mal so hin. » Und wie hat Rick dich da gefunden?«
Der Kellner kam. Er brachte zwei Tassen Kaffee und etwas, das wie offene, überbackene Käse-Schinken-Sandwiches aussah.
» Sie heißen Croque-Monsieurs«, sagte Terese.
Das wusste ich. Einfach überbackene, offene Käse-Schinken-Sandwiches, aber mit hochtrabendem Namen.
» Rick hat mit mir zusammen bei CNN gearbeitet«, sagte sie. » Er ist wahrscheinlich der beste investigative Journalist der Welt, hasst es aber, im Fernsehen aufzutreten, also arbeitet er im Hintergrund. Ich nehme an, dass er mich selbst aufgespürt hat.«
Terese war natürlich etwas blasser als damals auf der sonnigen Insel. Das Funkeln in den blauen Augen war weniger intensiv, aber die goldenen Ringe um die Pupillen waren gut zu sehen. Eigentlich hatte ich immer dunkelhaarige Frauen bevorzugt, aber ihre hellen Locken hatten mich überzeugt.
» Okay«, sagte ich. » Erzähl weiter.«
» Also hab ich getan, was er wollte. Vor vier Tagen bin ich hier angekommen. Und seitdem habe ich kein
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