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Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost

Titel: Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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peinliche Pubertät wäre vorbei, und sie wäre schön. Wir könnten wieder Freunde werden. Sie würde sich auf die Universität vorbereiten.«
    Mir traten Tränen in die Augen. Ich rutschte etwas weiter nach links. Tereses Augen waren trocken. Ich erhob mich. Sie warf den Kopf herum und sah mich an. Nein, keine Tränen. Etwas viel Schlimmeres. Die totale Vernichtung– so schlimm, dass Tränen darin seltsam und unbedeutend gewirkt hätten. Sie streckte mir die offene Handfläche entgegen wie ein Kreuz, mit dem man einen Vampir abwehrte.
    » Es war meine Schuld«, sagte sie.
    Ich fing an den Kopf zu schütteln, aber sie kniff sofort die Augen zu, als müsste sie sich vor meiner kleinen Geste wie vor einem zu starken Lichteinfall schützen. Dann fiel mir mein Versprechen wieder ein, worauf ich einen Schritt zurücktrat und versuchte, eine neutrale Miene aufzusetzen.
    » Eigentlich sollte ich in der Nacht gar nicht arbeiten, aber in letzter Minute brauchten sie doch noch einen Sprecher für die Acht-Uhr-Nachrichten. Ich war zu Hause. Wir wohnten damals in London. Rick war in Istanbul. Aber die Nachrichten um acht– das war die beste Sendezeit, und ich hatte schon ewig davon geträumt, da reinzukommen. Die Gelegenheit konnte ich mir doch unmöglich entgehen lassen, oder? Selbst wenn Miriam schlief. Die Karriere, ja? Also habe ich eine gute Freundin angerufen– Miriams Patentante, um genau zu sein– und sie gefragt, ob ich sie nicht für ein paar Stunden zu ihr bringen kann. Sie hat sofort zugesagt. Ich habe Miriam geweckt und sie hinten in ihren Kindersitz geschnallt. Die Zeit war knapp, und ich musste auch noch in die Maske. Also bin ich ziemlich schnell gefahren. Die Straßen waren nass. Aber dann waren wir schon fast da– es war nicht einmal mehr ein halber Kilometer. Die Ärzte sagen, dass man sich an einen schweren Unfall nicht mehr erinnern kann, besonders wenn man hinterher bewusstlos ist. Aber ich erinnere mich noch an jede Einzelheit. Ich weiß noch, dass ich die Scheinwerfer auf mich zukommen gesehen habe. Ich hab das Lenkrad nach links gerissen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich frontal in den LKW reingefahren wäre. Vielleicht wäre ich dann gestorben, und sie hätte überlebt. Aber nein, es war ein Seitenaufprall. Auf ihrer Seite. Ich erinnere mich sogar noch an ihren Schrei. Er war sehr kurz, eher ein lautes Luftschnappen. Es war das letzte Geräusch, das sie je von sich gegeben hat. Ich habe dann zwei Wochen lang im Koma gelegen, aber Gott mit seinem kranken Sinn für Humor hat mich überleben lassen. Miriam war beim Aufprall sofort gestorben.«
    Nichts.
    Ich traute mich nicht, mich zu bewegen. Es war ganz still im Raum, als ob selbst die Wände und die Möbel den Atem anhielten. Obwohl ich es nicht wollte, machte ich einen Schritt auf sie zu. Ich frage mich, ob das zum Trösten dazugehört– denn schließlich ist es häufig ein egoistisches Verhalten, das für den Tröstenden ebenso dringend notwendig ist wie für den Getrösteten, wenn nicht sogar noch dringender.
    » Halt«, sagte sie.
    Ich blieb stehen.
    » Bitte lass mich jetzt allein«, sagte sie. » Wenigstens einen Moment lang, okay?«
    Ich nickte, aber sie sah mich nicht an. » Natürlich«, sagte ich daraufhin. » Wenn dir das hilft.«
    Sie antwortete nichts, aber andererseits hatte sie schon ziemlich deutlich gesagt, was sie wollte. Also verließ ich den Raum und schloss die Tür hinter mir.

9
    Ziemlich benommen ging ich aus dem Hotel heraus auf die Rue Dauphine.
    Ich wandte mich nach links, kam auf eine Kreuzung, an der fünf Straßen zusammentrafen, und setzte mich in ein weiteres Gartencafé namens Le Buci. Normalerweise beobachte ich gerne Leute, aber im Moment konnte ich mich nicht richtig konzentrieren. Ich dachte über Tereses Leben nach. Jetzt verstand ich es. Es ging um die Rekonstruktion eines Lebens, das dann hinterher so aussehen sollte, als ob es… tja wie eigentlich?
    Um mich auf andere Gedanken zu bringen, zog ich mein Handy aus der Tasche und rief mein Büro in New York an. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich Big Cyndi.
    » MB Reps.«
    Das M steht für Myron. Das B für Bolitar. Das Reps steht dafür, dass wir Menschen repräsentieren. Den Namen hatte ich mir ganz allein ausgedacht, und trotzdem habe ich meine Erfolge als Marketing-Koryphäe nie an die große Glocke gehängt. Bis vor ein paar Jahren, als wir nur Sportler repräsentierten, hieß die Agentur noch MB SportsReps. Jetzt hieß sie MB Reps. Ich

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