Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
werde jetzt eine kurze Pause einlegen und warten, bis der Applaus sich etwas gelegt hat.
» Hmm«, sagte ich. » Die aktuelle Madonna komplett mit ihrem neuen britischen Akzent?«
» Bingo.«
Mit ihrer Stimme konnte Big Cyndi fast jeden Akzent und jede Person nachahmen. › Mit der Stimme‹ musste man allerdings hinzufügen, denn bei einer Frau, die über ein Meter fünfundneunzig groß und fast hundertfünfzig Kilo schwer war, erkannte man selbst die beste Goldie-Hawn-Imitation nur unter größten Schwierigkeiten, wenn man ihr direkt gegenüberstand.
» Ist Esperanza da?«
» Bleiben Sie bitte am Apparat.«
Esperanza Diaz, immer noch besser bekannt unter ihrem › Künstlernamen‹ Little Pocahontas, den sie früher als Profi-Catcherin getragen hatte, war meine Geschäftspartnerin. Esperanza nahm den Hörer ab und meldete sich mit den Worten: » Hast du’s ihr besorgt?«
» Nein.«
» Dann musst du aber einen verdammt guten Grund dafür vorbringen, dass du da drüben bist. Es standen jede Menge Besprechungen in deinem Terminkalender.«
» Ja, tut mir leid. Pass mal auf, ich brauche alles, was du über einen Rick Collins in Erfahrung bringen kannst.«
» Wer ist das?«
» Tereses Ex.«
» Mann, ihr habt aber echt seltsame Vorstellungen von einem Rendezvous.«
Ich erzählte ihr, was passiert war. Esperanza wurde ganz still. Ich wusste warum. Sie machte sich Sorgen um mich. Win ist der Fels, Esperanza das Herz. Als ich ihr alles erzählt hatte, sagte sie: » Im Moment steht Terese also nicht unter Verdacht?«
» Das weiß ich nicht genau.«
» Aber es sieht so aus, als ob ihr es mit einem Mord und einer Entführung zu tun habt, oder?«
» Ich denke schon.«
» Dann verstehe ich nicht so recht, warum du dich da überhaupt einmischst. Es gibt doch überhaupt keine Verbindung zu Terese.«
» Natürlich gibt es da Verbindungen.«
» Und die wären?«
» Rick Collins hat bei ihr angerufen. Er sagte, es wäre dringend und würde ihr ganzes Leben verändern. Und jetzt ist er tot.«
» Und was genau willst du da machen? Seinen Mörder aufspüren? Überlass das der französischen Polizei. Entweder besorgst du es ihr– oder du kommst nach Hause.«
» Stell doch mal ein paar Nachforschungen an. Mehr verlang ich ja gar nicht. Stell fest, was mit seiner neuen Frau und den Kindern ist, ja?«
» Okay, wenn’s sein muss. Was dagegen, wenn ich Win davon erzähle?«
» Nein.«
» Besorg’s ihr– oder komm nach Hause«, sagte sie. » Das ist ziemlich gut.«
» So was müsste man mal als Autoaufkleber herstellen«, sagte ich.
Wir legten auf. Und was nun? Esperanza hatte recht. Die Sache ging mich nichts an. Wenn ich Terese irgendwie helfen konnte, dann konnte ich ja hierbleiben. Aber so, wie die Sache lag, konnte ich höchstens aufpassen, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet– damit sie am Ende nicht den Kopf für einen Mord hinhalten musste, den sie nicht begangen hatte. Aber ansonsten konnte ich nichts für sie tun. Und Berleand war nicht der Typ, der ihr irgendetwas anhängte.
Am Rand meines Gesichtsfelds sah ich, dass sich jemand zu mir an den Tisch setzte.
Ich drehte mich um und sah einen Mann mit kahlrasiertem Kopf, auf dem allerdings schon wieder ein paar Stoppeln sprossen. Er hatte Narben auf der Kopfhaut. Seine Haut war dunkeloliv, und als er mich anlächelte, sah ich einen Goldzahn, der gut zu der Kette passte, die er um den Hals trug. Urbaner Klunker-Stil. Er war auf diese harter-und-gefährlicher-Typ-Art attraktiv, trug sein graues kurzärmeliges Hemd offen und ein weißes Unterhemd darunter. Dazu eine schwarze Trainingshose.
» Gucken Sie mal unter den Tisch«, sagte er zu mir.
» Wollen Sie mir Ihren Schniedel zeigen?«
» Gucken Sie– oder Sie sind ein toter Mann.«
Das war kein französischer Akzent– er war weicher und subtiler. Fast britisch, vielleicht aber auch spanisch, und er hatte etwas Aristokratisches. Ich kippelte auf dem Stuhl etwas nach hinten und sah unter den Tisch. Er hatte eine Pistole auf mich gerichtet.
Ich ließ die Hände am Tischrand und versuchte, ruhig weiterzuatmen. Dann hob ich den Blick und sah ihm in die Augen. Ich checkte die Umgebung. Ohne jeden ersichtlichen Grund stand ein Mann mit einer Sonnenbrille an der Ecke und versuchte mit aller Macht so zu tun, als ob er uns nicht beobachtete.
» Hören Sie mir zu, sonst schieße ich Sie tot.«
» Also nicht lebendig?«
» Was?«
» Jemanden totschießen im Gegensatz zum sonst so beliebten
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