Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
versuchte sie zu unterdrücken, » …Sie müssen den Van aufhalten!«
Aber meine Worte zeigten keine Wirkung. Der Minivan war verschwunden.
Ich schloss die Augen und versuchte, die Erinnerung an diese halbe Sekunde wieder heraufzubeschwören. Denn das, was ich hinten im Van gesehen hatte– oder was ich gesehen zu haben glaubte–, bevor die Tür zugezogen wurde, war ein Mädchen mit langen, blonden Haaren.
10
Zwei Stunden später saß ich wieder in meiner stinkigen Arrestzelle am Quai des Orfèvres.
Die Polizei verhörte mich sehr lange.
Ich erzählte eine vereinfachte Version der Geschichte und bat die Beamten, Berleand zu holen. Ich bemühte mich, möglichst ruhig zu sprechen, als ich sie bat, Terese Collins aus dem Hotel zu holen– ich machte mir Sorgen, dass diejenigen, die hinter mir her waren, auch an ihr interessiert sein könnten–, und vor allem erwähnte ich immer wieder das Autokennzeichen des Minivans und sagte, dass sich hinten im Laderaum das Opfer einer Entführung befinden könnte.
Zuerst hatten sie mich direkt auf der Straße festgehalten, was mir zwar seltsam vorkam, irgendwie aber auch plausibel war. Sie hatten mir Handschellen angelegt und zwei Polizisten zur Seite gestellt– jeder hielt einen Ellbogen fest–, die mich die ganze Zeit begleiteten. Ich sollte ihnen zeigen, was wo passiert war. Sie führten mich zum Café Le Buci an der Ecke. Der Tisch lag noch auf dem Kopf. Die Oberseite war blutverschmiert. Ich erzählte, was ich getan hatte. Natürlich gab es keine Zeugen dafür, dass Narbenschädel eine Pistole auf mich gerichtet hatte. Alle hatten nur meinen Gegenangriff gesehen. Der Mann, auf den ich geschossen hatte, war schnell ins Krankenhaus eingeliefert worden, was, wie ich hoffte, bedeutete, dass er noch lebte.
» Bitte«, sagte ich zum hundertsten Mal, » Capitaine Berleand kann das alles erklären.«
Wenn man versuchte, ihre Körpersprache zu lesen, kam man zu dem Schluss, dass die Cops alles, was ich sagte, ziemlich gelangweilt und mit großer Skepsis zur Kenntnis nahmen. Auf die Körpersprache konnte man allerdings nicht viel geben. Das hatte ich im Lauf der Jahre gelernt. Cops waren immer skeptisch– außerdem erhielten sie auf die Art mehr Informationen. Sie taten immer so, als würden sie einem nicht glauben, damit man weitersprach und versuchte, alles zu erklären, sich zu verteidigen, und dabei Sachen ausplauderte, die man vielleicht besser für sich behalten hätte.
» Sie müssen den Minivan finden«, sagte ich und wiederholte das Kennzeichen wie ein Mantra.
» Meine Freundin ist im d’Aubusson.« Ich deutete die Rue Dauphine hinab, nannte Tereses Namen und Zimmernummer.
Auf all das reagierten die Cops, indem sie nickten und Fragen stellten, die nichts mit dem zu tun hatten, was ich gerade gesagt hatte. Ich beantwortete ihre Fragen, worauf sie mich wieder anstarrten, als wäre jedes Wort, das aus meinem Mund kam, nichts als Lüge und pure Erfindung.
Danach hatten sie mich wieder in die Arrestzelle gesteckt. Ich glaube nicht, dass sie seit meinem letzten Besuch gereinigt worden war. Wahrscheinlich auch nicht, seit de Gaulle gestorben war. Ich machte mir Sorgen um Terese. Und ein paar klitzekleine Sorgen machte ich mir auch um meine Wenigkeit. Immerhin hatte ich in einem fremden Land auf einen Menschen geschossen. Das war beweisbar. Was nicht beweisbar war– was zumindest schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu beweisen sein würde–, war meine Version der Geschichte.
Hatte ich wirklich auf den Typen schießen müssen?
Keine Frage. Er hatte eine Pistole in der Hand.
Hätte er auf mich geschossen?
Man wartet einfach nicht ab, bis man es genau weiß. Also war ich ihm zuvorgekommen. Aber wie wurde so etwas hier in Frankreich gehandhabt?
Ich fragte mich, ob noch jemand eine Kugel abbekommen hatte. Es waren mehrere Krankenwagen gekommen. Vielleicht waren ein paar Unschuldige vom Maschinengewehrfeuer verletzt worden. Das ging dann auf mich. Schließlich hätte ich mit Narbenschädel mitgehen können. Dann wäre ich jetzt bei dem blonden Mädchen. Wo wir gerade über Angst sprachen: Was hatte das Mädchen da hinten im Van gedacht und gefühlt? Besonders wo sie vermutlich auch noch verletzt war, denn schließlich hatte man Blut von ihr am Tatort der Ermordung ihres Vaters gefunden?
War sie dabei gewesen, als ihr Vater ermordet wurde?
Brrr, jetzt musste ich mich aber wirklich ein bisschen bremsen.
» Ich würde vorschlagen, dass Sie sich einen persönlichen
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