Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
Wieso nicht?«
» Statt einfach den Klingelton auszustellen oder so was?«, fuhr er fort. » Ms. Collins hat ihr Handy ganz ausgeschaltet.«
» Sie glauben es nicht?«
» Ich bitte Sie. Wir können ihre Anruflisten immer noch einsehen– feststellen, mit wem sie wann telefoniert hat. Vor ungefähr einer Stunde hat sie ihren einzigen Anruf heute bekommen.«
» Von wem?«
» Das wissen wir nicht. Die Nummer wurde zu einem Telefon in Ungarn weitergeleitet, von da dann zu einer Website, und mehr haben wir dann nicht rausgekriegt. Das Telefonat dauerte nur zwei Minuten. Direkt danach hat sie ihr Handy ausgestellt. Zu diesem Zeitpunkt war sie im Rodin-Museum. Wir haben keine Ahnung, wo sie jetzt ist.«
Ich sagte nichts.
» Haben Sie irgendeine Idee?«
» Von Rodin? Der Denker gefällt mir ganz gut .«
» Ich lach mich tot. Aber echt.«
» Lassen Sie mich hier weiter in der Zelle sitzen?«
» Ich habe Ihren Pass. Sie können gehen, aber bitte bleiben Sie in Ihrem Hotel.«
» Wo Sie alles mithören können«, sagte ich.
» Sie müssen das so sehen«, sagte Berleand. » Falls sie Sie doch noch irgendwann ranlässt, kann ich vielleicht noch was lernen.«
Nach gut zwanzig Minuten war alles erledigt, und ich verließ das Gebäude. Darauf ging ich den Quai des Orfèvres entlang in Richtung Pont Neuf. Ich fragte mich, wie weit ich laufen müsste. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass Berleand mich hier schon beschatten ließ, ich hielt das jedoch für unwahrscheinlich.
Vor mir stand ein Wagen mit dem Kennzeichen 97 CS 33. Man brauchte nur jeweils eine Eins zu addieren oder einen Buchstaben weiterzugehen. Die Acht wird zur Neun, das B wird ein C und so weiter. Als ich auf den Wagen zuging, fiel ein Zettel aus dem Fenster auf der Fahrerseite. Auf den Zettel war eine Münze geklebt, damit er nicht wegwehte.
Ich seufzte. Erst der viel zu einfache Code, und jetzt dies. Hätte James Bond sich jemals so banaler Technologien bedient?
Ich hob den Zettel auf.
RUE DE PONT NEUF 1, FÜNFTE ETAGE.
WIRF DAS HANDY HINTEN DURCHS FENSTER
INS AUTO.
Das tat ich. Der Wagen fuhr los. Das Handy war eingeschaltet. Das sollten sie jetzt mal orten. Ich bog nach rechts ab. Rue de Pont Neuf 1 war das Louis-Vuitton-Haus mit der Glaskuppel. Im Erdgeschoss befand sich das Kenzo-Kaufhaus. Schon beim Öffnen der Tür kam ich mir hoffnungslos uncool vor. Ich stieg in den gläsernen Fahrstuhl und drückte auf die Fünf, neben der ein Schild hing, das besagte, dass sich dort ein Restaurant namens Kong befand.
Als der Fahrstuhl hielt und die Tür sich öffnete, erwartete mich eine schwarz gekleidete Hostess. Sie war über einen Meter achtzig groß, ihr Kleid saß so eng wie eine Aderpresse und umhüllte einen Körper, der etwa so fett wirkte wie ein handelsüblicher Klingeldraht. » Mr. Bolitar?«, sagte sie.
» Ja.«
» Bitte folgen Sie mir.«
Sie führte mich eine grün fluoreszierende Treppe hinauf, in die Glaskuppel. Ich hätte Kong als ultra-hip bezeichnet, aber es war eigentlich noch mehr als das– eher postmodern ultra-hip. Das Dekor war in einer Art futuristischem Geisha-Stil gehalten. Von diversen Plasma-Fernsehern zwinkerten einem elegante Asiatinnen zu. Die Stühle waren aus Acryl und durchsichtig– abgesehen von den aufgedruckten Gesichtern schöner Frauen mit seltsamen Frisuren. Diese Gesichter glühten auch noch, als ob in jedem Stuhl ein Licht angebracht wäre. Das Ganze wirkte ein bisschen unheimlich.
Über meinem Kopf hing ein riesiger Wandteppich, auf dem eine Geisha abgebildet war. Die Kunden waren gekleidet wie, tja, eigentlich wie die Hostess– trendig in Schwarz. Der eigentliche Höhepunkt, der das Ganze zusammenhielt, war jedoch der absolut mörderische Ausblick auf die Seine– er war fast so toll wie vom Dach der Polizeipräfektur–, und ganz vorne, am ersten Tisch mit der besten Aussicht, saß Win.
» Ich habe Foie gras für dich bestellt«, sagte er.
» Irgendwann wird jemand unseren alten Trick durchschauen.«
» Bisher ist das nicht geschehen.«
Ich setzte mich zu ihm. » Der Laden hier kommt mir irgendwie bekannt vor.«
» Er kam in einem französischen Spielfilm mit François Cluzet und Kristin Scott Thomas vor«, sagte Win. » Die beiden saßen an ebendiesem Tisch.«
» Kristin Scott Thomas hat in einem französischen Film mitgespielt?«
» Sie hat jahrelang in Frankreich gelebt und spricht fließend Französisch.«
Win weiß solche Sachen. Keine Ahnung woher.
» Jedenfalls«, fuhr Win fort, »
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