Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
seines Wagens verhaftet worden war. Männer setzen alle Nase lang mit ihren Geliebten Kinder in die Welt. Wenn man dann noch Berleands neue Informationen dazunahm, dass es in der Ehe von Rick Collins und Karen Tower gekriselt hatte, dann passte alles zusammen. Natürlich noch längst nicht perfekt– so stellte sich zum Beispiel die Frage, warum Collins ausgerechnet Terese, seine erste Frau, angerufen und zu ihr gesagt hatte, dass sie unbedingt nach Paris kommen sollte– aber eins nach dem anderen.
Ich fing an, Berleand meine Theorie zu erläutern, merkte aber schnell, dass er sie mir nicht abkaufte, also brach ich ab.
» Was hab ich denn übersehen?«, fragte ich.
Sein Handy trillerte. Wieder sprach Berleand Französisch, so dass ich kein Wort verstand. Wenn ich wieder zu Hause war, musste ich einen Berlitz-Kurs oder so was machen. Als er das Gespräch beendet hatte, schloss er schnell die Arrestzelle auf und bedeutete mir, dass ich ihm folgen sollte. Dann eilte er den Flur entlang.
» Berleand?«
» Kommen Sie. Ich muss Ihnen was zeigen.«
Wir gingen zurück ins Büro der Groupe Berleand. Lefebvre war da. Er sah mich an, als wäre ich seinem schlimmsten Feind aus dem Anus gefallen. Er stöpselte gerade einen zweiten Monitor an den Computer– einen großen Flachbildschirm.
» Was ist los?«, fragte ich.
Berleand setzte sich vor die Tastatur. Lefebvre trat etwas weiter zurück. Die anderen beiden Polizisten, die noch im Raum waren, stellten sich hinter ihn an die Wand. Berleand sah erst den Monitor, dann die Tastatur an. Er runzelte die Stirn. Auf seinem Schreibtisch stand eine Box mit Papiertüchern. Er zog eins heraus und wischte damit die Tastatur ab.
Lefebvre sagte etwas auf Französisch, das wie eine Beschwerde klang.
Berleand fauchte etwas zurück und deutete dabei auf die Tastatur. Als er mit dem Abwischen fertig war, fing er an zu tippen.
» Das blonde Mädchen im Van«, sagte Berleand zu mir. » Wie alt war sie Ihrer Ansicht nach?«
» Keine Ahnung.«
» Denken Sie nach.«
Ich versuchte es, schüttelte dann aber den Kopf. » Ich habe nur die blonden Haare gesehen.«
» Setzen Sie sich«, sagte er.
Ich zog mir einen Stuhl heran. Er öffnete eine E-Mail und lud eine Datei herunter.
» Es kommen noch ein paar Videos«, sagte er, » aber dieses Standbild ist das deutlichste.«
» Woher ist es?«
» Von einer Überwachungskamera am Flughafenparkplatz.«
Ein Farbfoto erschien– ich hatte ein körniges Schwarz-weiß-Foto erwartet, aber es war ziemlich scharf. Hunderte von Autos– na ja, es war ein Parkplatz–, aber auch Leute. Ich kniff die Augen zusammen.
Berleand deutete nach oben rechts. » Sind sie das?«
Leider war die Kamera so weit entfernt, dass man die Personen nur aus großer Entfernung sah. Es waren drei Männer. Einer hielt sich etwas Weißes aufs Gesicht, vielleicht ein Hemd, um das Blut zu stillen. Narbenschädel.
Ich nickte.
Das blonde Mädchen war auch da, aber jetzt verstand ich seine Frage. Aus diesem Winkel– von hinten– konnte man ihr Alter nicht richtig erkennen, aber sie war bestimmt nicht sechs oder sieben Jahre alt und wahrscheinlich auch nicht zehn oder elf– falls sie nicht außergewöhnlich groß war. Sie war voll ausgewachsen. Die Kleidung ließ auf einen Teenager schließen, eine junge Frau, aber heutzutage konnte man ja auch das nicht mit Sicherheit sagen.
Sie ging zwischen den beiden gesünderen Männern, Narbenschädel war rechts von den dreien.
» Das sind sie«, sagte ich. » Was hatten wir gedacht, wie alt die Tochter sein müsste? Sieben oder acht? Lag wohl an den blonden Haaren. Hat mich umgehauen. Ich habe überreagiert.«
» Da bin ich nicht so sicher.«
Ich sah Berleand an. Er setzte die Brille ab, legte sie auf den Tisch und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Dann bellte er laut etwas Französisches heraus. Die drei Männer, einschließlich Lefebvre, verließen den Raum. Wir waren allein.
» Was um alles in der Welt geht hier vor?«, fragte ich.
Er hörte auf, sich das Gesicht zu reiben, und sah mich an. » Ihnen ist klar, dass im Café niemand gesehen hat, wie Sie mit einer Pistole bedroht wurden?«
» Natürlich hat das niemand gesehen. Die Waffe war ja unterm Tisch versteckt.«
» Die meisten Menschen hätten die Hände gehoben und wären ganz ruhig mitgegangen. Die meisten Menschen wären nicht auf den Gedanken gekommen, dem Mann mit einem Tisch das Gesicht zu zertrümmern, sich seine Waffe zu schnappen und mitten auf
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