Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
korrigierte Win mich. » Wir sind in England. Hier sagen wir Solicitor.«
Ich sah ihn nur an und verkniff mir die Frage: Und was ist mit dem Begriff › analfixierter Schwachkopf‹? Sagen wir das in England so?
» Ich sag meinen Leuten hier gleich morgen früh, dass sie sich das mal ansehen sollen.«
Lock-Horne Investments hatte eine Filiale an der Curzon Street in London.
» Wir sollten uns den Unfall auch nochmal genauer angucken«, sagte ich. » Versuchen, die Polizeiakte in die Finger zu bekommen, mit den Beamten zu sprechen, die ihn damals bearbeitet haben, und so etwas.«
Alle stimmten mir zu. Die Konversation verlief auch weiterhin so, als säßen wir in einem Konferenzraum und sprächen über die Werbekampagne für ein neuartiges Produkt statt darüber, ob Tereses Tochter, die offiziell bei einem Autounfall umgekommen sein sollte, womöglich noch lebte. Allein der Gedanke war schon verrückt. Win führte ein paar Telefonate. Wir erfuhren, dass Karen Tower, Rick Collins’ Frau, noch im selben Haus wie damals wohnte. Morgen früh würde ich mit Terese hinfahren und mit ihr sprechen.
Nach einer Weile nahm Terese zwei Valium, ging in ihr Zimmer und schloss die Tür. Win öffnete eine Vitrine. Ich war erschöpft vom Jetlag und dem Tag, der hinter mir lag. Kaum zu glauben, dass ich erst heute Morgen in Paris gelandet war. Aber ich wollte noch nicht ins Bett. Ich sitze gern so mit Win zusammen. Er hatte ein Glas Cognac in der Hand. Ich trank in solchen Situationen gerne ein Kakaogetränk namens Yoo-Hoo, aber heute hielt ich mich an Evian -W asser. Wir bestellten uns etwas zu essen aufs Zimmer.
Ich liebte die Normalität.
Mia steckte den Kopf ins Zimmer und sah Win an. Er sagte stimmlos » Nein« in ihre Richtung. Ihr hübsches Gesicht verschwand.
Win sagte: » Ist noch nicht Zeit für Mia.«
Ich schüttelte den Kopf.
» Was hast du eigentlich für ein Problem mit Mia?«
» Du meinst jetzt Mia, die Stewardess, oder?«
» Flugbegleiterin«, sagte er– wieder korrigierte er meine Wortwahl. » Genau wie beim Solicitor.«
» Sie wirkt sehr jung.«
» Sie ist fast zwanzig.« Win lachte kurz. » Ich liebe es einfach, wenn du etwas nicht gutheißt.«
» Ich bin nicht hier, um irgendetwas zu bewerten«, sagte ich.
» Gut, weil ich gerade versuche, etwas auf den Punkt zu bringen.«
» Und das wäre?«
» Über dich und Ms. Collins im Flugzeug. Du, mein lieber Freund, siehst Sex als einen Vorgang, für den eine emotionale Komponente erforderlich ist. Ich nicht. Dir reicht der Akt an sich nicht, ganz egal, wie absolut fantastisch er körperlich auch gewesen sein mag. Ich hingegen sehe das aus einer anderen Perspektive.«
» Eine, für die normalerweise mehrere Kameraeinstellungen vonnöten sind«, sagte ich.
» Der war gut. Aber lass mich ausreden. Für mich ist der heilige Akt, wenn zwei Personen › sich lieben‹– um deine Terminologie zu verwenden, weil wir von mir aus auch gerne von › pimpern‹, › bürsten‹ oder › bumsen‹ reden können–, etwas Wunderbares. Mehr noch, er ist das Einzige, was zählt. Ich glaube, dass dieser Akt am besten ist– am reinsten, wenn du so willst–, wenn er das Ein und Alles ist, der Weg und das Ziel, wenn es keinen emotionalen Ballast gibt, der ihn erschwert. Verstehst du?«
» Mhm«, sagte ich.
» Ich will dir nur sagen, dass man die Wahl hat. Es gibt beide Möglichkeiten. Du siehst es so, ich seh es anders. Keine dieser beiden Sichtweisen ist der anderen per se überlegen.«
Ich sah ihn an. » Und das wolltest du mal auf den Punkt bringen?«
» Ich habe dich im Flugzeug beobachtet, als du dich mit Terese unterhalten hast.«
» Das sagtest du schon.«
» Du wolltest sie in den Arm nehmen, stimmt’s? Nachdem du die Bombe hast hochgehen lassen. Du wolltest zu ihr gehen und sie trösten. Es geht also genau um diese emotionale Komponente, über die wir gerade gesprochen haben.«
» Ich kann dir nicht folgen.«
» Als ihr beiden allein auf dieser Insel wart, hattet ihr fantastischen Sex auf rein physischer Basis. Ihr kanntet euch kaum. Trotzdem haben diese Tage auf der Insel dein Leid gelindert und dich getröstet. Sie haben dein Innerstes aufgewühlt und einen Heilungsprozess unterstützt. Hier hingegen, wo deine Emotionen mit ins Spiel kommen und dich diese Emotionen von etwas physisch so Züchtigem wie einer Umarmung abhalten, bist du dazu nicht in der Lage.« Win legte den Kopf schräg und lächelte. » Wieso eigentlich nicht?«
Er hatte nicht
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