Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
ich den Film Der Frühstücksclub liebe und mich das ein bisschen ablenkte. Ich verstehe einfach nicht, warum ich den Film so mag. Das Casting muss ein Witz der Agentur gewesen sein… » einen leidenschaftlichen Ringer? Wie wäre es mit dem schmächtigen Emilio Estevez? Einem harten Schläger? Was ist mit Judd Nelson?« Also mal ehrlich, Judd Nelson. Wer wäre da wohl die erste Wahl gewesen? Das war ja fast, als würde man das Remake eines Marilyn-Monroe-Films mit Bea Arthur besetzen, um beim Golden-Girls-Vergleich zu bleiben. Und trotzdem passten Nelson und Estevez irgendwie, und der Film funktionierte, ich liebe ihn und kann dabei Zeile für Zeile mitsprechen.
Nach einer Weile sagte Nigel Manderson: » Na ja, an ein paar Kleinigkeiten kann ich mich vielleicht doch erinnern.«
Das klang nicht sehr überzeugend. Er leerte sein Glas, bestellte sich einen neuen Drink, sah dem Barkeeper beim Einschenken zu und nahm ihn sofort in die Hand, als das Glas vor ihm auf die klebrige Holztheke gestellt wurde.
Ich sah Win an. Wie immer war seine Miene unergründlich.
Die Frau mit dem Paintball-Make-up– ihr Alter ließ sich schwer schätzen, es musste irgendwo zwischen gut gehaltenen fünfzig und sehr schnell gealterten fünfundzwanzig liegen, wobei ich eher auf Letzteres tippte– sagte zu Win: » Ich wohn hier ganz in der Nähe.«
Win bedachte sie mit dem überheblichen Blick, der die Leute dazu bringt, ihn zu hassen. » Vielleicht in der Gasse?«
» Nein«, sagte sie und lachte breit und herzhaft. Win war für sie ein Hauptgewinn. » Ich hab ’ne Kellerwohnung.«
» Muss traumhaft sein«, sagte Win mit ironietriefender Stimme.
» Ach, ist nichts Besonderes«, sagte Paintball, die seinen Tonfall nicht verstanden hatte. » Steht aber ein Bett drin.«
Sie zog ihre rosa-violetten Leggins hoch und blinzelte Win zu. » Ein Bett«, wiederholte sie. Für den Fall, dass er die Anspielung nicht verstanden hatte.
» Klingt bezaubernd.«
» Wollen Sie es sich mal angucken?«
» Madam…«, Win wandte sich ihr zu, » …ich würde mir das Sperma lieber mit Hilfe eines Katheters entfernen lassen.«
Wieder blinzelte sie ihm zu. » Ist das jetzt ’ne coole Art, ja zu sagen?«
Ich fragte Manderson: » Würden Sie mir erzählen, was Sie noch über den Unfall wissen?«
» Wer zum Teufel sind Sie eigentlich?«
» Ein Freund der Fahrerin.«
» So ein Blödsinn.«
» Wieso?«
Er trank einen kräftigen Schluck. Bananarama ging zu Ende. Duran Durans klassische Ballade » Save a Prayer« folgte. An der Theke wurde es still. Jemand dimmte das Licht, als die Gäste anfingen Feuerzeuge hochzuhalten und wie in einem Konzert hin- und herzuschwenken.
Auch Nigel schwenkte sein Feuerzeug. » Und ich soll Ihnen einfach glauben, dass sie Sie hergeschickt hat?«
Da hatte er recht.
» Und selbst wenn, was ändert das schon? Der Unfall ist vor… was haben Sie gesagt, wie lange ist das her?«
Ich hatte es zwei Mal gesagt. Also hatte er es zwei Mal gehört. » Zehn Jahre.«
» Was will sie denn jetzt noch darüber wissen?«
Ich wollte eine Gegenfrage stellen, er brachte mich jedoch mit einer kurzen Geste zum Schweigen. Das Licht wurde weiter gedimmt. Alle sangen, dass wir jetzt kein Gebet sprechen, sondern es aus irgendeinem Grund bis zum Morgen danach aufbewahren sollten. Dem Morgen wonach? Alle schwankten vom Alkohol und dem Song mit immer noch hoch erhobenen Feuerzeugen vor und zurück, und ich fürchtete schon, dass es bei all den hochtoupierten Frisuren zu einer Brandkatastrophe kommen könnte. Wie die meisten anderen Gäste hatte auch Nigel Manderson Tränen in den Augen.
So kam ich nicht weiter. Ich beschloss, etwas energischer nachzubohren. » Der Unfall ist nicht so abgelaufen, wie es in Ihrem Bericht steht.«
Er sah mich kaum an. » Dann wollen Sie jetzt sagen, dass mir da ein Fehler unterlaufen ist?«
» Nein, ich will sagen, dass Sie gelogen und die Wahrheit vertuscht haben.«
Er hörte auf zu schwanken und senkte das Feuerzeug. Ein paar Leute neben uns folgten seinem Beispiel. Er sah sich um, nickte ein paar Freunden zu und vergewisserte sich ihrer Unterstützung. Das störte mich nicht. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Win sah sich unterdessen die Gegner an. Ich wusste, dass er bewaffnet war. Er hatte mir die Waffe nicht gezeigt, und in Großbritannien war es auch schwer, an Waffen heranzukommen, trotzdem hatte Win irgendwo eine versteckt.
Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, dass wir die brauchen
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