Von Menschen und Monstern
gehalten.
Ob Tatsache oder Fabel, jedenfalls war es eine üble Beschimpfung, mit einem Wilden verglichen zu werden.
Plötzlich bebte der Boden unter ihm, daß er beinahe gestürzt wäre. Er taumelte und versuchte, seine Lanze aus dem Tragriemen zu zerren. Schließlich gewöhnte er sich an das Schaukeln und fand einen festen Halt.
Aus weiter Ferne ertönte ohrenbetäubendes Stampfen. »Was ist das?« rief er Arthur zu. »Was ist los?«
»Hast du noch nie eine Bestie gehen gehört?« fragte der Organisator ungläubig. »Richtig – du machst ja deinen ersten Raubzug, deinen ersten Ausfall. Es ist eine Bestie, mein Junge. Eine Bestie, die sich in der Bestienspeisekammer bewegt und tut, was Bestien eben so tun. Sie haben ja schließlich ein Recht«, ergänzte er lächelnd. »Es ist ihre Speisekammer. Wir sind bloß – Gäste.«
Eric sah, daß keiner der Anwesenden besonders erschrocken war. Er holte tief Luft und steckte seine Lanze wieder ein.
Er hob den Blick zur Decke der Höhle und dachte an den dunklen Raum, der sich dahinter ins Unendliche dehnte. »Und das hier?« fragte er. »Dieser Verbau, in dem wir uns aufhalten. Wozu dient er den Bestien?«
Arthur der Organisator zuckte die Schultern. »Ein Bestienmöbel mit unbekanntem Verwendungszweck. Wir sind in einem der offenen Räume, die sie immer im Fuß ihrer Möbel freilassen. Dadurch werden die Möbel leichter und beweglicher, nehme ich an.« Er lauschte einen Augenblick, bis sich das Stampfen entfernte und schließlich verstummte. »Reden wir vom Geschäft. Eric, das ist Walter der Waffenforscher vom Maximilianvolk. Walter, was hast du für Erics Stamm – für, mhm, für die Menschheit?«
»Bei den Vorderhöhlen ist es um jedes halbwegs brauchbare Stück schade«, murrte der Hockende. »Denen kannst du etwas erklären, bis du schwarz wirst, sie benützen es ja doch verkehrt und machen alles kaputt. Mal sehen. Das müßte einfach genug sein.«
Er kramte in dem Stoß fremdartiger Dinge und hob ein kleines, rotes, gallertartiges Kügelchen hoch. »Davon reißt du mit den Fingern ein Quentchen ab. Niemals mehr als ein winziges bißchen, verstanden? Dann spuckst du drauf und schleuderst es von dir. Sobald du es angespuckt hast, mußt du schleunigst die Hände davon lassen. Wirf es so rasch und so weit du kannst. Wirst du dir das merken?«
»Ja.« Eric nahm ihm das rote Kügelchen ab und besah es verständnislos. Ein beißender Geruch stieg davon auf, und seine Nase begann leicht zu jucken. »Aber was geschieht dann?«
»Das soll deine Sorge nicht sein, Junge«, sagte Arthur der Organisator. »Dein Onkel weiß schon, wann er es verwenden soll. Du jedenfalls hast deinen Raubzug dritter Kategorie – ein Bestiensouvenir, das kein anderer deines Stammes jemals gesehen hat. Die werden Augen machen! Und bestelle deinem Onkel, daß er heute in drei Tagen – in drei Schlafenszeiten – mit seiner Truppe in meiner Höhle sein soll. Das wird die letzte Zusammenkunft vor der Revolution sein. Sag ihm, sie sollen soviele Lanzen mit bringen, wie sie nur tragen können.«
Eric nickte schwach.
Er wollte den roten Tropfen in seinen Tornister stecken, aber da war der Waffenforscher schon aufgesprungen und hinderte ihn daran. »Hast du auch nichts Nasses drinnen?« fragte Walter, öffnete den Tornister und stöberte in Erics Proviant. »Kein Wasser? Vergiß nicht, wenn das Zeug naß wird, bist du erledigt.«
»Die Menschheit trägt das Wasser in Feldflaschen«, erklärte Eric ihm beleidigt. »Hier.« Damit klopfte er auf den gluckernden Beutel an seiner Hüfte. Dann schulterte er den vollen Tornister und entfernte sich würdevoll.
Arthur der Organisator begleitete ihn bis ans Ende der Höhle. »Ärgere dich nicht über Walter«, flüsterte er ihm zu. »Er meint immer, außer ihm könne niemand mit den Bestienwaffen umgehen, die er ausgräbt. So springt er mit jedem um. Und jetzt überlege dir nochmals genau den Rückweg. Wir möchten nicht, daß du dich verirrst.«
»Das tue ich bestimmt nicht«, antwortete Eric empört. »Ich habe ein gutes Gedächtnis, und ich bin klug genug, die Weisungen für den Anmarsch in umgekehrter Reihenfolge zu befolgen. Außerdem bin ich Eric der Sucher, Eric das Auge der Menschheit. Ich verirre mich nicht.«
Er war sehr stolz auf sich, als er abzog, ohne den Kopf umzuwenden.
Trotzdem hatte sein Selbstbewußtsein einen Stoß erhalten, genau wie neulich, als Roy der Läufer ihn vor der gesamten Truppe ein Einzelkind genannt hatte. Als
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