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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Tenn
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letzte Bemerkung hinter seinem Rücken hatte er noch gehört: »Diese Primitiven nehmen immer alles gleich übel«, und das trug auch nicht zur Verbesserung seiner Laune bei.
    Mürrisch überquerte er den dunklen offenen Raum. Sein Blick hing an dem vor ihm liegenden weißen Lichtfleck, aber sein Danken kreiste um die ihm völlig ungewohnte Überprüfung seiner Wertbegriffe. Auf der einen Seite stand die freie Geradlinigkeit der Menschheit, auf der anderen die Vielseitigkeit der Ausländer; die erfolgreiche Raubzugstrategie der Menschheit, die Voraussetzung jeder Existenz war, gegenüber den unbekannten technischen Errungenschaften der Ausländer. Die Lebensweise der Menschheit war jener der Ausländer doch sicher vorzuziehen und ihr weit überlegen, oder nicht?
    Er hatte sich eben an der Wand nach rechts gewandt, um die letzte Strecke bis zur Pforte zurückzulegen, als ein neuerliches Schaukeln des Bodens ihn aus seinen Grübeleien riß. Er wurde mehrmals hochgeschleudert und stand starr vor Schreck auf seinem Platz still.
    Eine Bestie war in der Speisekammer erschienen. Und er hatte keine Deckung.
     

 
6.
     
    In schwindelerregender Entfernung sah er den riesigen, langen, grauen Leib, den er aus den Erzählungen seiner Kindheit kannte. Er war höher als hundert aufrecht aufeinander stehende Männer. Jedes der mächtigen grauen Beine übertraf die Schulterbreite zweier kräftiger Männer. Eric wagte einen Blick aus weit aufgerissenen Augen und geriet in Panik.
    Dann aber fiel ihm die Pforte ein. Er mußte etwa dreißig Schritte davon entfernt sein. Dahinter wartete die Rettung: sein Onkel, die Truppe, die Menschheit und die Höhlen – die heiß ersehnten, engen, dumpfen Höhlen!
    Geduckt hastete Eric längs der Wand zur Pforte. Er rannte schneller, als er es selbst jemals für möglich gehalten hätte.
    Du mußt lautlos laufen, rief er sich ins Gedächtnis. Renne so schnell du nur kannst, aber mache kein Geräusch. Von den Kriegern hatte er gelernt, daß auf diese Entfernung das Gehör der Bestien mehr zu fürchten war als ihr Sehvermögen. Lauf lautlos. Lauf um dein Leben.
    Er erreichte die Pforte. Sie war zu!
    Ungläubig starrte er auf die Bogenlinie in der Wand, die erkennen ließ, wo die Türplatte wieder eingepaßt worden war. Aber das war ausgeschlossen! So etwas hatte es noch nie gegeben!
    Eric hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Tür. Würde er durch die schwere Platte zu hören sein? Oder machte er dadurch nur die Bestie auf sich aufmerksam?
    Blitzschnell wandte er den Kopf und opferte einen kostbaren Augenblick, um die Entfernung der Gefahr abzuschätzen. Die Beine der Bestie bewegten sich unglaublich langsam. Das Tempo wäre lächerlich gewesen, hätten die riesigen Beine nicht mit jedem Schritt eine phantastische Entfernung zurückgelegt. Und auch der lange, schmale Hals, der beinahe so lang wie der restliche Körper war, und der bösartige, verhältnismäßig kleine Schädel am Ende des Halses waren durchaus nicht zum Lachen. Und dazu hatte die Bestie unmittelbar hinter dem Schädel um den ganzen Hals schauerliche rosa Lappen.
    Sie war bedeutend näher als vor wenigen Sekunden, aber er hatte keine Ahnung, ob sie ihn bemerkt hatte und auf ihn lossteuerte. Sollte er mit dem Lanzenschaft gegen die Tür schlagen? Das hörten seine Kameraden vielleicht – aber die Bestie auch.
    Es gab nur einen einzigen Ausweg. Er trat ein paar Schritte von der Wand zurück. Dann sprang er vor und warf sich mit den Schultern gegen die Tür. Er spürte, daß sie ein klein wenig nachgab. Noch einmal.
    Eric stemmte beide Hände gegen die Tür und drückte mit aller Kraft dagegen. Langsam, ächzend löste sich die Platte aus den Rändern.
    Plötzlich kippte sie in die Höhle, und Eric schlug zusammen mit ihr schmerzhaft auf dem Boden auf. Er rappelte sich hoch und stürmte in den Korridor.
    Der Zeitdruck erlaubte ihm nicht, erlöst aufzuatmen. Im Geiste wiederholte er seine Lektionen. Wie ging es jetzt weiter?
    Laufe nur ein kurzes Stück in die Höhle hinein. Dreh dich nicht um. Augen geradeaus und laufen. Jetzt gibt es nur eine einzige Gefahr, für die du die Ohren offenhalten mußt: ein zischendes, pfeifendes Geräusch. Hörst du es, dann halte den Atem an und renne.
    Er wartete sprungbereit.
    Die Zeit verstrich. Ihm fiel ein, daß er zählen mußte. Hast du langsam bis fünfhundert gezählt, ohne daß etwas geschehen ist, dann bist du höchstwahrscheinlich gerettet. Dann darfst du annehmen, daß die Bestie dich

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