Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Tenn
Vom Netzwerk:
weite Ferne gerichtet. »Käfige«, murmelte er. »Eine Legende der Väterweisheit, an die wir ehedem glaubten, hat davon berichtet. Wie hieß es dort bloß? Es ging um Menschen, die sich zu intensiv mit dem Fremdglauben befaßten, sich zu weit mit den Bestien einließen. – Laßt mich nachdenken.«
    Grübelnd wackelte er mit dem Zeigefinger. »Käfige. Ja, ich hab's! Als kleiner Junge habe ich diese Fabel der Väterweisheit gehört. Die Käfige der Sünde – das war's! Ich entsinne mich an einen Satz, der lautete: die Käfige der Sünde bedeuten Tod.«
    Entsetztes Schweigen war die Antwort. Dann fiel ein Mann auf die Knie und begann eine Litanei der Väterweisheit zu murmeln. Einer seiner Stammesbrüder kniete ebenfalls nieder und fiel in das Gebet ein. Der Singsang erfüllte den Käfig und rief in allen Gefangenen schwere Gewissensbisse wach.
    Energisch entzog Eric sich der hypnotischen Trostlosigkeit dieses Singsangs.
    Er schämte sich zutiefst, daß auch ihn die Massenhysterie erfaßt hatte. Ein Auge durfte sich nicht einfach gehenlassen. Und er war ein Auge. Ein Auge mußte selbst in höchster Gefahr und angesichts des Todes beobachten und registrieren. Das war seine Aufgabe. Und danach mußte er handeln.
    Dieser Käfig zum Beispiel. – Er entfernte sich von der Gruppe. Roy der Läufer und Walter der Waffenforscher sahen ihn überrascht an. Dann folgten sie ihm nach.
    Der Käfig war knapp zehn mal zwölf Schritte groß. Nicht sehr geräumig für so viele Menschen. Sie waren ziemlich gedrängt. Vermutlich würden die Bestien sie irgendwie verpflegen, sonst hätten sie sie ja gleich umbringen können. Aber was geschah mit den Abfällen und sonstigem Unrat? Eric sah sich prüfend um. Der Boden senkte sich zu jener Ecke des Käfigs, wo sich die Stäbe überschnitten. Dort war ein Loch, das im Stab mündete. Also war der Stab ein Rohr. Aber wie verhinderten die Bestien die Verschmutzung des Käfigs, wenn es nur diesen einzigen kleinen Abfluß für so viele Menschen gab?
    Eric schob das Problem einstweilen beiseite und ging zu einer der senkrechten Wände. Walter und Roy trabten hinter ihm her und versuchten, ihm die Gedanken vom Gesicht abzulesen. Die Wand war durchsichtig und hart. Probeweise klopfte Eric mit den Knöcheln dagegen und versuchte, die Wand mit einer Lanzenspitze zu ritzen. Er beugte den Kopf zurück und schätzte die Höhe ab. Sie entsprach ungefähr der dreieinhalbfachen Körpergröße eines Mannes. Der obere Rand bog sich etwa eine Armlänge nach innen und unten. Immerhin ...
    »Wir könnten vier kräftige Männer an der Wand aufreihen«, schlug er Walter vor. »Drei Mann klettern auf ihre Schulter und geben zwei weiteren eine Leiter ab. Eine Pyramide. Dann könnte ein Mann an ihnen hochklettern und sich über den Rand schwingen.«
    Der Waffenforscher überlegte. »Richtig. Aber vier plus drei plus zwei sind neun Mann, die zurückbleiben müßten. Und wo finden wir diese neun Freiwilligen?«
    »Das ist die geringste Sorge«, meldete sich eine schwache Stimme hinter ihnen. »Schwierig wird es erst, wenn ihr draußen seid.«
    Sie drehten sich um. Zwischen den jammernden Gefangenen lag ein merkwürdig anzusehender Mann auf dem Boden. Für einen Ausländer hielt Eric ihn nicht, und zur Menschheit gehörte er schon gar nicht. Zwar hatte er das Haar nach Ausländermanier aus der Stirn gebunden, aber er trug überdies ein groteskes Kleidungsstück, das weder Lendenschurz noch Lendengurt war, sondern ein kurzer Lederkittel mit vielen Taschen. Aus mehreren dieser Taschen ragten unbekannte Gegenstände hervor.
    Der Mann war schwer verletzt. Die obere Gesichtshälfte und die ganze rechte Körperseite wiesen breite, dunkle Quetschungen auf. Der rechte Arm und das Bein schienen gebrochen zu sein.
    »Warst du schon im Käfig, als sie uns hereingeworfen haben?« fragte Eric.
    »Ja. Aber ihr wart zu sehr in euer eigenes Elend versunken, um mich zu bemerken. Die Sache ist nämlich so: Wenn ihr aus dem Käfig klettert, geht es nach keiner Seite weiter. Die Käfigwände sind draußen genauso glatt wie drinnen. Ihr würdet nur auf den Fußboden fallen, der eine ganze Bestienlänge unter uns liegt. Und selbst angenommen, ihr erreicht einen der Stäbe – was dann? Sie sind sehr hoch und bieten keinerlei Halt. Allerdings habe ich mir folgendes überlegt: Wenn ihr alle Haarriemen und Lendengurte zusammentätet, um daraus ein Seil zu flechten ...«
    »Das können wir!« fiel Walter ihm erregt ins Wort. »Ich weiß, wie

Weitere Kostenlose Bücher