Von Menschen und Monstern
ihn sahen. Die Bestie hatte den runden Seziertisch passiert und setzte ihren Weg fort. Wohin?
Einerlei. Wichtig war nur, den Rhythmus der Drehung korrekt einzuschätzen, genau im richtigen Augenblick zu werfen und die Bestie mit in die Kanäle zu nehmen.
Jetzt!
Langsam, vorsichtig spuckte er auf die Kugel und knetete sie mit der Hand durch. Dann legte er den Arm abwartend auf den Rücken und verfolgte die Schwingung des Seiles. Als die Bestie knapp vor ihm war, schleuderte er den roten Klumpen in hohem Bogen auf den Schädel des Ungeheuers, der am Ende des unvorstellbar langen Halses hin und her zuckte. Heilige Väter, er hatte gut gezielt!
Das Seil schlug wieder nach der anderen Seite aus, und Eric bemerkte, daß irgend etwas schiefgegangen war. Die Bestie hatte den roten Ball entdeckt. Und sie senkte ihm den Schädel mit gierig geöffnetem Maul entgegen. Die Bestie schluckte die Waffe!
Beim Auspendeln des Seiles sah Eric noch, wie ein leises Rieseln durch die mächtige Kehle der Bestie lief. Und in den abstoßenden Augen funkelte unmißverständlich Vergnügen!
Die Pendelbewegung hatte ihn mit dem Rücken zur Bestie gedreht. Verzweifelt wartete er auf den Knall der fürchterlichen Explosion, die das Ungeheuer von innen zerreißen würde. Er hörte ihn nicht. Endlich vernahm er hinter sich ein Geräusch. Zwar war es keineswegs eine Explosion, aber doch laut und höchst merkwürdig. Eric faßte neuen Mut. Das Seil, an dem er hing, ruckte hin und her. Er drehte den Kopf. Wo war die Bestie?
Da!
Jetzt konnte er sie sehen. Enttäuscht ließ er den Kopf hängen.
Die Wellenbewegung in der langen Kehle war noch vorhanden, schwächte sich aber langsam ab, während die unerwartete Wirkung nachließ. So oft das Rieseln die Stelle erreichte, wo der Hals an den Leib angewachsen war, wiederholte sich das laute, merkwürdige Geräusch von vorhin. Es war halb Niesen, halb Husten.
Die Wirkung verebbte sichtlich. Die Intervalle zwischen den sonderbaren Geräuschen wurden länger, die Geräusche selbst leiser. Der dreieckige Schädel am Ende des gewölbten Halses bewegte sich suchend hin und her. Das Vieh schien gierig auf weitere rote Bälle zu warten. Seine Augen funkelten verzückt.
Warum hatte die Waffe versagt? Nun, erstens einmal war sie vermutlich nie als Waffe gedacht, überlegte Eric. Walter hatte sie den Bestien gestohlen und gefunden, daß sie sich als Waffe einsetzen ließ – gegen Menschen. Bei den Bestien aber diente sie vielleicht einem grundverschiedenen Zweck. Vielleicht war sie eine Art Speise oder Würze. Oder eine Droge, am Ende gar ein Aphrodisiakum. Oder möglicherweise der Bestandteil eines komplizierten Spieles. Der menschliche Speichel hatte die Zusammensetzung der Masse bestimmt verändert. Leider war sie den Bestien dadurch nicht gefährlicher geworden. Erics Angriff hatte dem Feind kein Mißbehagen sondern Vergnügen bereitet.
Das war eine aufschlußreiche Erkenntnis, die an den Fundamenten des Fremdglaubens rüttelte, wonach der Mensch von den Fortschritten der Bestien profitieren sollte. Was für die Menschen in höchstem Grade gesundheitsschädlich war, konnte den Bestien zuträglich sein, heilsam, oder auch nur angenehm, oder vielleicht beides. Logischerweise mußte sich dieses Prinzip auch umkehren lassen: Was die Menschen ernährte oder anregte, war vielleicht geeignet, die Bestien zu vernichten – falls sich ein solcher Stoff jemals entdecken ließ.
Der Gedanke eröffnete Perspektiven, von denen die Menschen seit unzähligen, unterjochten Generationen geträumt hatten – vielleicht gelang es, einen echten Bestienkiller zu erfinden!
Die Möglichkeit erregte Eric so sehr, daß er sofort angestrengt nachzudenken begann. Aber sein Kerkermeister blieb unvermittelt stehen und holte ihn damit wieder in die Wirklichkeit zurück. Und die hieß leider, daß er bis auf seine zwei Lanzen keinerlei Waffen besaß. Und wenn er kämpfen wollte, ehe ihn das Untier zerfleischte, dann mußte er sich bereit machen.
Sie waren am Ziel angelangt. Das grüne Seil wurde hinabgesenkt. Eric zerrte an seinem Tragriemen. Nach kurzer Überlegung nahm er eine leichte Lanze für die rechte Hand und eine schwere für die linke. Viel Hoffnung hatte er zwar nicht, aber trotzdem war er nicht bereit, sich kampflos zu ergeben. Schließlich war er Eric das Auge, ein Kämpfer und ein Mensch.
Er blickte hinab. Komisch, unter ihm war keine weiße Platte, sondern ein anderer Käfig!
Erleichtert seufzte Eric auf. Eben
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