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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Tenn
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wollte er seine Lanzen zurückstecken, als das Seil ihn in der Mitte des Käfigs ablud und sich zurückzog. Eric sah sich neugierig in seiner neuen Umgebung um.
    Die beiden Lanzen in seinen Händen retteten ihm das Leben, als sich das nackte Mädchen auf ihn stürzte.
     

 
18.
     
    Er hatte geglaubt, der Käfig sei leer. Als das Seil zurückgezogen worden war und er wieder auf eigenen Füßen stand, hatte er sich in aller Ruhe umgedreht. Da erklang ein Geräusch hinter ihm, etwas leiser, als die Schritte eines laufenden Kriegers ...
    Blitzartig drehte Eric sich um und lächelte vorsichtig, um zu einer friedlichen Begrüßung anzusetzen. Aber er brachte keinen Ton heraus.
    Ein nacktes Mädchen mit dichtem, hellbraunem Haar, das ihm in Locken über Schultern und Körper fiel, stürzte auf ihn los. Sie hielt eine Lanze mit der längsten Spitze, die Eric je gesehen hatte, in der Hand. Und die Spitze zielte auf seinen Bauch. Das Mädchen stürmte unheimlich schnell auf ihn zu.
    Mit einer reinen Reflexbewegung parierte Eric den Stoß.
    Das Mädchen wich einen Schritt zurück, ging erneut in Angriffsstellung und stürzte sich wieder auf ihn. Auch jetzt wehrte Eric die Lanze mit knapper Not ab.
    Und wieder machte sie einen Ausfall, wieder parierte er. Er glaubte, verrückt zu werden. Wie konnte eine Frau eine Waffe tragen? Und einen Krieger angreifen?
    Sie ließ nicht ab von ihm. Sie war darauf versessen, ihn zu töten. Soviel stand fest. Sie kniff die Augen entschlossen zu. Sie hielt ihre Lanze fest umklammert, suchte nach einer ungeschützten Stelle seines Körpers und stürzte sich wieder auf ihn. Eric benützte seine Lanze wie einen Knüppel und wehrte den Hieb des Mädchens ab.
    Wie sollte er sie zur Vernunft bringen? Zurückschlagen konnte er nicht, er hätte das Mädchen am Ende noch verletzt oder gar getötet. Und ob man ein Anhänger der Väterweisheit oder des Fremdglaubens war, in jeder Religion gab es ein Axiom, daß ein Mädchen im geschlechtsreifen Alter automatisch heilig war und nicht mit einer tödlichen Waffe berührt werden durfte.
    Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als sich zu verteidigen. Und sie war so verflucht zielstrebig! Beide keuchten im Takt des Waffengeklirrs. Eric machte einen Satz, als die lange Lanzenspitze des Mädchens sein Auge um eine Spur verfehlte.
    »Jetzt hätte es mich beinahe erwischt!« murmelte er.
    Mitten im Vorstoß hielt das Mädchen an. Sie taumelte leicht und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Dabei starrte sie ihn aus weit aufgerissenen Augen an.
    »Was hast du gesagt?« keuchte sie. »Du hast doch etwas gesagt?«
    Eric starrte sie ebenfalls an und überlegte, ob sie wahnsinnig sei.
    »Ja, ich habe etwas gesagt«, gab er zu, ohne ihre Lanze aus den Augen zu lassen. »Na und?«
    Sie senkte die Lanze und trat einige Schritte zurück. Ihr Gesicht entspannte sich. »Du kannst also reden. Du beherrschst unsere Sprache.«
    »Natürlich«, sagte Eric gereizt. »Wofür hältst du mich eigentlich? Für einen Wilden?«
    Statt jeder Antwort schleuderte das Mädchen seine Lanze beiseite und ließ sich auf den Boden des Käfigs fallen. Sie legte den Kopf auf die Knie und schaukelte hin und her.
    Eric steckte ihre Lanze zu seinen eigenen. Dann sah er, daß sie weinte. Obwohl er überhaupt nichts mehr begriff, erkannte er doch, daß sie aus Erleichterung weinte und nicht aus Kummer.
    Er wartete. Da sie entwaffnet war, konnte er sich in Geduld fassen.
    Endlich hörte sie auf zu weinen und wischte sich die Augen mit dem Unterarm ab. Dann lehnte sie sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lachte Eric an. Jetzt wußte Eric gar nicht mehr, was er von ihr halten sollte. Dieses Weib war ganz sicher verrückt!
    »Weißt du, daß ich dich genau dafür gehalten habe? Für einen Wilden«, sagte sie.
    »Mich?« fragte Eric erstaunt.
    »Ja, dich. Und ich stand mit meiner Annahme gar nicht allein.«
    Er sah sich im Käfig um. Außer ihnen war niemand da. Die Person war zweifellos wahnsinnig!
    Sie war seinem Blick gefolgt. Jetzt lachte sie glucksend und nickte. »Nein, ich spreche nicht von jemandem in diesem Käfig, sondern von dem Burschen dort oben. Er hat dich auch für einen Wilden gehalten.«
    Sie deutete mit dem Daumen hinauf, und Eric blickte auf. Die Bestie, die ihn gebracht hatte, starrte noch immer in den Käfig. Keine Wimper an ihren großen roten Augen zuckte, und die riesigen Fühler rührten sich nicht. »Warum? Warum sollte er – sie – mich für einen

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