Von Moerdern und anderen Menschen
seine Krawatte glatt. «Eben! Darum bin ich auch im Augenblick an diesem Kujawa fast mehr interessiert als an dem Jungen. Ein Motiv hatte er ja. Und ein altes Muttchen will die beiden sogar gesehen haben, am Sonntagmorgen… Wie’s nun mit deren Augen und dem Gedächtnis steht, weiß ich allerdings nicht.»
«Gibt’s denn noch immer keine Spur von Kujawa?»
«Nein, das ist ja der springende Punkt. Ebensowenig wie von Christian Machnik. Zu Hause bei Kujawa ist niemand, und die Leute in seinem zahntechnischen Labor, die sagen, er sei zu seiner Frau nach Bad Salzuflen gefahren.»
«Und die ist da gar nicht?» fragte Furmaniak.
«Doch, ist sie, ich hab sogar vorhin mit ihr gesprochen – aber ihr Mann ist nicht bei ihr aufgetaucht. Sie kann sich’s auch nicht erklären. Irgendwelche geschäftlichen Schwierigkeiten soll er jedenfalls keine haben.»
«Kunststück!» lachte Furmaniak. «Zahntechniker und geschäftliche Schwierigkeiten!»
Dr. Splettstößer verzog das Gesicht. «Es hindert Sie doch keiner daran, auch Zahntechniker zu werden… Da kommt übrigens Ihr neuer Gehilfe.»
Haiduck blieb in angemessener Entfernung vor ihnen stehen. «Entschuldigen Sie bitte die Störung, Herr Dr. Splettstößer…»
«Aber ja! Was gibt’s denn?»
«Herr Furmaniak möchte bitte nach unten kommen, da wartet eine junge Dame im Zimmer», meldete er.
«Auf mich – ‘ne junge Dame?» Furmaniak tat erstaunt.
«So schön möchte ich’s auch mal haben», witzelte Dr. Splettstößer.
«Nein, das ist doch dienstlich», sagte Haiduck.
«Noch besser!» rief Dr. Splettstößer. «Aber denken Sie daran: Leibesvisitationen nur durch weibliche Kräfte.»
Haiduck blieb ernst; er wußte wohl schon, daß das Recht des Spaßmachers nur Rangoberen zustand. «Es ist doch die Freundin von Christian Machnik – Ines Koschinski.»
«Na dann man to!» rief Dr. Splettstößer und wandte sich dem Vizepräsidenten zu, der gerade mit erheblichem Gefolge die Kantine betrat. Irgendeiner hatte immer Jubiläum.
Ines stellte sich zwar vor, als sie Furmaniaks Zimmer betrat, doch ihr Nachname, eben Koschinski, kam ihr so nuschlig-schnell über die Lippen, daß er nachfragen mußte. Dann, nachdem er ihn verstanden hatte, lächelte er und meinte, daß er mit dem seinen auch nicht viel besser dran sei. «Ich leide auch darunter…» Sie redeten ein Weilchen darüber, weshalb wohl die Träger polnischer oder anderer slawischer Namen hierzulande so häufig Minderwertigkeitskomplexe hatten – die Theorie vom kulturellen West-Ost-Gefälle, die Dreckarbeiten, die polnischen Einwanderern früher hier zugefallen waren, die Rassenpolitik des Nazireiches und die Brandmarkung der Polen als Untermenschen – und trafen sich dann als Bewunderer des Brandtschen Kniefalles. Sie hätten sich nun viel lieber über das Elend der SPD unterhalten, zu der sie sich, wenn auch mit aller Vorsicht, beide bekannten, als über die schmutzige Wäsche der Machniks, wie Furmaniak es ausdrückte. Doch die Zeit drängte, und so bat er Ines schließlich, ihm in dieser Sache weiterzuhelfen.
Ines, heute in hellgeblümtem Wickelrock und korallenrotem Pulli, sah den Düsenjägern nach, die den wolkenlosen Himmel mit ihren Kondensstreifen verschmierten. «Nun – Frau Machnik hat mir zwar gesagt, es ist überflüssig, wenn ich jetzt auch noch… Aber wo ich nun gerade hier gegenüber arbeite… Vielleicht hilft’s ihm doch noch.»
«Gegenüber? Als Verkäuferin, ja?»
«Nein, als MTA, im Labor.»
«Doch nicht etwa im zahntechnischen?» fragte Furmaniak.
«Nein, im serologischen.» Sie lächelte. «Sie meinen Kujawa, ja?»
«Genau.»
«Nein, nein, mit dem hab ich nie was zu tun gehabt. Da war ich nie.»
«Hätt ja sein können.»
«‘türlich. Und ich bin ja auch wegen Kujawa hier», sagte Ines.
«Ah, ich verstehe!» Furmaniak grinste.
«Nicht, was Sie denken – obwohl er’s bei mir auch schon versucht hat.»
«Bei Christian auch?»
«Soweit ich weiß, nur bei Frauen. Die eigene ist zehn Jahre älter als er, schon über sechzig.»
Sie diskutierte die Sache so leidenschaftslos wie irgend möglich. Furmaniak ergänzte seine Notizen.
«Ich versteh schon – aber was hat denn das alles mit Christians Verschwinden zu tun? Da seh ich beim besten Willen keinen Zusammenhang.»
Ines sah ihn wohl. «Ist doch klar: Kujawa war auch hinter Frau Machnik her. Jeden Abend hat er in der Gaststube rumgesessen, sie betatscht und so.»
«Und das hat Christian gestört,
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