Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
oder wie die Dinger heißen. Wir haben uns an unseren Sittenverfall gewöhnt, essen ganzjährig Erdbeeren, die im Winter aus immer ferneren Regionen herangekarrt werden müssen. Unser Gas kommt aus Tausende Kilometer entfernten Quellen, Thunfisch und Shrimps stammen aus sämtlichen Weltmeeren. Aber wenn in bestimmten Regionen Somalias die letzten Wasserstellen austrocknen, hört man, die Erde könne die vielen Menschen nicht mehr ernähren. Tja, so ist das halt, seufzen wir dann schulterzuckend. Nein, um es ganz klar zu sagen: Wenn heutzutage Frauen Wasser aus Flaschen von Vittel und Volvic trinken, die mit dem LKW aus Südfrankreich herbeigeschafft worden sind, und Männer Steaks aus Argentinien essen, dann könnte man es auch so organisieren, dass die Frauen in Somalia Vittel und Volvic bekommen und ihre Familien die Steaks aus Argentinien. Technisch ist das machbar. Aber damals wie heute gilt: Wer gut bezahlt, dem werden im Winter die Erdbeeren gebracht. Oder im Sommer der Schnee. Denn «keiner würde gerne warmen Wein trinken, sondern vielmehr solchen, der im Brunnen abgekühlt und mit Schnee vermischt ward», konstatierte damals ein griechischer Schriftsteller. Das ist das Besondere am Beruf des Schriftstellers: Selbst eine derart banale Zeile hält sich mit Glück dreitausend Jahre und wird am Ende für die Nachwelt noch interessant. Offensichtlich haben sich also die Römer die Kühltechnik von den Griechen abgeguckt. Vielleicht war es das, was der Dichter Juvenal meinte, als er in einem seiner nächtlichen Tagebucheinträge schimpfte: «Ich kann diese
vergriechte
Stadt nicht ertragen.» (Partywissen: Auch der Begriff «Brot und Spiele», mit dem die Entpolitisierung der Bevölkerung durch ebendiese kritisiert wird, stammt von Juvenal. Also, wenn Sie das nächste Mal irgendwo hören, dass jemand «Brot und Spiele» sagt, rufen Sie einfach laut: «Juvenal», machen eine kurze Pause, und ergänzen dann: «Der hat’s gesagt.»)
Die Römer hatten es einfach drauf. Nicht nur, wie man eintausendsiebenhundert Jahre, bevor der Deutsche Carl von Linde den Kühlschrank erfand, jegliche Form von Kühlung organisierte, sondern auch, wie man alles andere zum Funktionieren bringt.
Glatte 1 für römische Straßen
Im Gegensatz zum heutigen, maroden Rom war das antike von 100 n. Chr. richtig in Schuss. Da war auch noch die Autobahn in Ordnung, mein Lancia, der jedes Schlagloch mit einem Wimmern der Karosserie – oder wie man das in Italien nennt – quittierte, hätte sich jedenfalls gefreut. Natürlich waren das damals keine Autobahnen im heutigen Sinne, aber das Römische Reich hatte schon im Jahr 50 n. Chr. mehr befestigte Fernstraßen als die Bundesrepublik 1982 .
Sie führten von hier bis hinauf nach Köln, Paris, ja bis London und weiter bis zur schottischen Grenze. Und auf diesen Straßen war man schnell. Cäsars persönlicher Rekord lag bei über hundert Kilometern pro Tag. Mit einem
Cisium
, dem Coupé unter den Kutschen, schafften es Einzelne sogar bis auf dreihundert Kilometer am Tag, natürlich mit Pferdetausch. Das hieß, dass ich in der Gegenwart auf der italienischen A 1 /E 35 mit einem Auto fast genauso viel Zeit benötigte wie ein forscher Bote vor einigen tausend Jahren.
Wer heute seinen Wagen in Palermo oder Napoli parkt, dem bieten Jugendliche mitunter an, dass sie in Abwesenheit des Besitzers auf das Auto «aufpassen» würden. Geht man nicht auf das freundliche Angebot ein, muss man mit Schrammen und Schlimmerem rechnen. Hier lernen schon die Jüngsten, wie man professionell Schutzgeld erpresst – Bildung ist ja heute wichtiger denn je.
Im Alten Rom hingegen gab es ein strenges Parkplatzregime inklusive Parkverbote und eingeschränkter Halteverbote. Die Parkplatznot war so groß, dass viele römische Bürger darauf verzichteten, eigene Kutschen zu halten. Sie mussten dennoch auf dem Komfort nicht verzichten, denn am Stadtrand hatten zwei findige Römer eine tolle Idee:
Sixtus
und
Europcarus
hätten sie heißen können, denn sie gründeten die ersten Leihwagenfirmen der Weltgeschichte.
Die Vorfahren der Italiener bebauten also ganz Europa mit Straßen, die derart solide waren, dass Teilstücke davon noch heute erhalten sind, während es den Römern von heute nicht einmal gelingt, die Autobahn von Neapel nach Kalabrien in die
Reggio di Calabria
fertigzustellen. Mitschuld daran ist die
Ndrangheta
, die für diesen Abschnitt «zuständige» Mafia: Sie erpresst Firmen, die nicht mit ihnen
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