Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Zähne mit Pulver aus Bimsstein zu bleachen. Vermutungen, der Hang zu Cremes, die giftiges Bleiweiß enthalten, hätten zum Untergang des weiblichen Teils des Römischen Reiches beigetragen, erscheinen mir allerdings etwas gewagt. Ihre schädliche Wirkung wird ebenso überschätzt wie heute die der Cremes von Uschi Glas, denen man einen direkten Zusammenhang mit dem Niedergang unseres heutigen Europa auch nicht nachweisen kann.
Zum Ausgleich für die aggressive Behandlung des Tages ließ sich Poppaeas für die Nacht eine Gesichtsmaske aus Bohnenbrei auflegen, zumindest optisch eine Vorwegnahme der Pestsymptome im späteren Mittelalter und Auslöser von ehelichem Frust bei Nero. Immer wenn er nach Hause kam, lief nichts wegen der Bohnenmaske. Schließlich starb Poppaea infolge eines Fußtritts ihres Mannes. Vielleicht hat Nero seine Frau unter der Bohnenmatschmaske nicht wiedererkannt und sie für einen Einbrecher gehalten.
Neben den Kosmetika standen auch die Bleischalen der Ur-Italiener im Verdacht, ihre Nutzer nach und nach zu vergiften: Ließ man den Wein länger in ihnen ruhen, schmeckte er süßlich. Das neue Partygetränk kam zwar gut an, leider entstand der süßliche Geschmack aber durch Bleiacetat, das vermutlich Demenz auslöst. Eigentlich eine Crux: Gerade das Kultivierte der Römer, das sich darin ausdrückte, Wein aus schönen Bleigefäßen zu trinken, war ungesünder als das Barbarentum, das bald in Rom Einzug halten sollte: Die gotischen Eroberer pfiffen auf die Etikette, traten einfach ein Loch ins Fass, legten sich darunter und öffneten den Mund. Das mag zwar nicht dem Knigge entsprechen, gesünder (zumindest in Bleihinsicht) war es allemal.
Im Übrigen sind wir, was schleichende Gifte betrifft, heute nicht viel weiter als im Alten Rom. Ob nun die Schweinegrippe ausbricht, Menschen an Biosprossen sterben oder Kinder an chinesischen Erdbeeren erkranken – die Gefahrenquelle zu entdecken und zum Versiegen zu bringen ist schwer. Wie also hätten die Römer darauf kommen sollen, dass ausgerechnet ein Teil ihres Geschirrs krank machte? Stiftung Warentest gab es noch nicht.
Rom brennt, Nero pennt
An einem windigen Julitag 64 n. Chr. stand schließlich ganz Rom in Flammen. Wer war dafür verantwortlich? Hatte etwa jemand das Feuer gelegt, wo doch die Strafe hierfür ebenso furchtbar wie naheliegend war: Tod durch Verbrennung?
Oft wurde Nero selbst die Brandstiftung angehängt, war es doch sein formuliertes Ziel gewesen, die Stadt größer und schöner umzugestalten. Brandsanierung, sozusagen.
Nachweisen konnte man ihm das jedoch nicht, zumal er sich zum Zeitpunkt des Brandes in einer ganz anderen Stadt aufhielt. Seine Reaktion auf die Nachricht «Rom brennt!» war allerdings recht merkwürdig. Wenn man den Quellen glauben darf, rief er: «Der Arme!» Dachte er, sein Hund würde brennen, den er «Rom» getauft hatte?
Tatsächlich war das Feuer wohl in einem Souvenirshop im Circus Maximus ausgebrochen, und es spricht für die solide Bauart des Circus, dass er weniger Schaden nahm als der Rest der Stadt, die bald in qualmenden Trümmern lag: zu eng war sie gebaut worden, eine anständige Feuerwehr gab es nicht, vom THW ganz zu schweigen.
Als sicher gilt indes, dass die Beschuldigung der Christen als Brandstifter auf Neros Konto ging. Ein Punkt, bei dem es sich aufzuhorchen lohnt, denn an diesem Zeitpunkt begann ihre beispiellose Erfolgsgeschichte. Heute ist das Christentum die größte Religion der Welt, fast ein Drittel der Menschen sind Christen, doch im Rom Neros waren sie nicht gerne gesehen: Beten konnten sie damals nur heimlich, sonst riskierten sie ihr Leben. Doch viele taten es trotzdem, Tendenz steigend. Jesu Botschaft von einem universellen Gott verbreitete sich wie von selbst und wurde begeistert aufgenommen. Das interessierte die Oberen wenig, im Gegenteil, noch über dreihundert Jahre lang wurden die Jesusfans als «wahrhaft toll und wahnsinnig» bezeichnet und verfolgt. Insofern gaben sie für den Brand einen idealen Sündenbock ab.
Umso überraschender der Schwenk im Jahr 380 n. Chr.: Die römische Führung eines inzwischen geteilten und geschwächten Reiches lenkte ein und erklärte kurzerhand das Christentum zur Staatsreligion. Vielleicht glaubte man, die Zukunft könne noch Rom gehören, wenn man komplett zu der Religion konvertierte, die den Zuspruch der Massen hatte.
Damit die beliebte Menschenjagd weitergehen konnte, verbot man die bisher gültigen Religionen. Eben noch
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