Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
weltweit rund zweitausendfünfhundert Pestinfektionen jährlich, wie einst stets in armen, feuchten Gebieten, aber Einzelfälle sind auch im Südwesten der USA aufgetreten. Einmal überfuhr eine Frau mit einem Rasenmäher ein Eichhörnchen und zeigte Tage später Pestsymptome. Man mag sich den Infektionsweg nicht bildlich vorstellen.
Die Lange Nacht der Kirchen
Natürlich fragten sich die Menschen im Mittelalter nach den Ursachen dieser «Strafe Gottes». Wer war schuld? Und wer sollte, wer konnte eine Antwort geben, wenn nicht die allmächtige Kirche? Sie ließ sich etwas Zeit für die Formulierung einer Antwort, doch irgendwann kam sie: Schuld an der Pest seien die Juden, die Frauen und Satan, der bekanntlich von Juden und Frauen Besitz ergriffen habe. Darauf folgten gegen Ende des Mittelalters und später: die Hexenverbrennungen oder, wie man heute sagen würde: die Lange Nacht der Kirchen.
Die Kernzeit der Hexenverfolgungen kam erst nach dem Mittelalter. Aber sie passen nicht in die «Frühe Neuzeit» genannte Epoche, in der die Wissenschaften erblühten. Vielmehr scheinen sie mit ihrer Irrationalität ein Nachhall des Mittelalters zu sein und werden deshalb schon hier erzählt.
Wenn wir von Hexenverbrennungen sprechen, dann meint der Begriff die Verbrennungen von Frauen, die beschuldigt wurden, eine Hexe zu sein. Hexen gibt es nicht und hat es nie gegeben. Vor diesem Hintergrund finde ich es besonders bedenklich, dass sich heute einige Frauen selbst als Hexe bezeichnen und damit kokettieren. Sie kennen sich vielleicht mit Naturheilkunde aus, aber es wäre sicher hilfreicher, sich die Berufsbezeichnung Druide auf die Visitenkarten drucken zu lassen, von mir aus auch Druidin.
Was die Verbrennungen oder auch «Hexenwahn» genannten Exzesse betrifft, denkt man heute gemeinhin, gut, dass sie vorbei sind. Doch in Düsseldorf konnte man gerade sehen, wie schnell einen die Geschichte wieder einholt. Dort war der Hobbyforscher Andreas Vogt darauf gestoßen, dass in seiner Heimatstadt zwei Frauen als Hexen verbrannt worden sind, Agnes Olmans und Helena Curtens. Letztere war zum Zeitpunkt ihrer Marter noch ein Teenager, gerade einmal sechzehn Jahre alt. Der damalige Vorwurf: Kooperation mit dem Teufel und, genauso absurd: «Fliegen auf dem Besen durch die Luft». Andreas Vogt regte im Stadtrat an, beide Frauen zu rehabilitieren, das Urteil aufzuheben und zwei Straßen nach ihnen zu benennen. So ist das bei Opfern des Nationalsozialismus schon oft durchgeführt worden, warum nicht auch bei zwei von vielen Opfern der Kirche? Von wegen. Bei einer Gedenkminute für die beiden Frauen im Stadtrat von Düsseldorf wollte die christliche Partei nicht mitmachen. Die Stadt erklärte sich für nicht zuständig, schließlich sei die damalige Beweisaufnahme, auch unter Anwendung der sogenannten peinlichen Verhörung, bei der gefoltert wird, nicht von einem weltlichen Gericht, sondern von der Heiligen Inquisition durchgeführt worden, einer inzwischen aufgelösten Abteilung der Kirche. Deshalb, so die Politiker, müssten sich Theologen des Falls annehmen. Im Gegensatz zum NS -Staat gibt es die katholische Kirche noch, und so fand sich ein diplomierter Theologe, der sofort einen Gegenantrag formulierte. Keinesfalls solle das Urteil aufgehoben, geschweige denn Straßen nach den beiden Hex… – äh, Frauen benannt werden. Er habe sich die Umstände der Verurteilung in alten Akten noch einmal angeschaut und sei zu dem Schluss gekommen, dass «beide Frauen in abergläubische Praktiken und psychotherapeutisches Detailwissen eingeweiht und insofern nicht ganz unschuldig» gewesen seien.
Ein Zucken ging über die Gesichter aller Psychotherapeuten der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, als sie die Botschaft in der Zeitung lasen. Hatte man so lange studiert und sich mit seiner Praxis verschuldet, nur um auf dem Scheiterhaufen zu landen?
Diese Geschichte ist wie viele Geschichten der Geschichte: Man möchte lachen, aber eigentlich ist sie zum Weinen. Aber sie hat ein gutes Ende, auch ohne Rehabilitierung ist es dazu gekommen, dass in Düsseldorf ein Platz in
Helena-Curtens-und-Agnes-Olmans-Platz
umbenannt wurde. Die Solidarität mit den beiden Frauen war groß, nur ein Anwohner maulte: «Hexen oder Frauen, das ist mir doch egal, jetzt kann ich mein Briefpapier wegschmeißen und bekomme selber wahrscheinlich auch keine Post mehr!
Helena-Curtens-und-Agnes-Olmans-Platz?
Wer wird das freiwillig auf einen Umschlag schreiben?»
Die erste
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