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Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Titel: Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schnoy
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Tausendundeine-Nacht-Stumpfsinn, deshalb steht auch das Schicksal von Arles ebenso für das deutsche Mittelalter. Die Stadt in Südfrankreich war zur Zeit der Römer eine Metropole, der Besatzer einen Circus mit 28 000  Sitzplätzen spendiert hatten. Kaum waren die Römer weg, verfiel die Stadt derart, dass die Bürger von Arles irgendwann in den Circus zogen und seine Außenmauern quasi zur Stadtmauer wurden. Für lange Zeit fristeten die Arler ihr Dasein in jämmerlichen Bauten innerhalb der Arena. Das wäre so, als wenn die Berliner nach dem Zusammenbruch der EU in das Olympiastadion krabbelten und dort ein paar Jahrhunderte auf dem Rasen wohnten. Aber, wer weiß, was noch auf uns zukommt?!
    Endgültig zusammen bricht das Leben mit dem Ausbruch der Pest, die aus Zentralasien über die Häfen Südeuropas eingeschleppt wird. Sie trifft auf eine auch in gesundheitlicher Hinsicht geschwächte Gesellschaft: öffentliche Bäder, Hygiene – alles ward vergessen, dafür lebte man enger zusammen denn je. Müll und Abwässer verpesteten im Wortsinn die Städte. Die Pest verbreitete sich rasend schnell, eine Epidemie, bei der ihre Opfer teilweise gesund einschliefen und morgens tot wieder aufwachten – wenn sie Glück hatten.
    Tatsächlich waren die Chancen, mit einer Lungenpest zu überleben, gleich null: Zwischen den ersten Symptomen und dem Tod lagen maximal drei Tage.
    Als Kaffa, eine Hafenstadt an der Krim, von Tataren belagert wird, bricht unter den Belagerern die Pest aus. Ein großes Aufatmen ist hinter den Stadtmauern zu hören, die Eingeschlossenen denken, dass es die Tataren nun niemals schaffen werden, in die Stadt einzudringen, sondern draußen vor ihren Toren vergammeln werden. Doch da erfinden die Tataren etwas sehr Modernes: die «biologische Kriegsführung». Sie binden ihre Pesttoten auf Katapulte und schleudern sie in die Stadt hinein, schwups in die Arme der Bürger, die sich nach einer solchen Umarmung nicht mehr erholen.
    Mit den Jahren erreichte «das große Sterben», wie die Epidemie auch genannt wurde, den Norden Europas, auch Hamburg und London. Feuchte Hafenstädte waren ideal für den Erreger, der – wie man erst heute weiß – von Flöhen übertragen wurde, die normalerweise Ratten bissen und die, nachdem diese allesamt krepiert waren, auf den Menschen übergingen. Infizierte steckten Gesunde durch die uns heute gut bekannte «Tröpfcheninfektion» an. Schon ein Blick auf Erkrankte reiche, notierten Ärzte. Das war natürlich übertrieben, aber wenn wir uns vor Augen führen, wie schnell sich ab Oktober, kaum dass es feucht wird, Grippeviren durch ebendiese Tröpfcheninfektion verbreiten, mag erahnen, was uns blüht, wenn noch mal ein Erreger dieses Kalibers auftaucht. Am besten wir treffen schon jetzt die Maßnahmen, die im Mittelalter jene trafen, die es sich leisten konnten: Man flieht in ein möglichst abgeschiedenes Ferienhaus und hat Vorräte für ein ganzes Jahr dabei. So überlebten in manchen Städten drei von vier reichen Bürgern, während unter den Armen, die sich von Ratten und Flöhen und Kranken nicht fernhalten konnten, drei von vier starben.
    2011 war mein Fluchtauto schon gepackt, lebe ich doch in Hamburg, das in diesem Jahr als Zentrum der EHEC -Epidemie galt. Vierhundert Infizierte wurden allein innerhalb der Stadtmauern gezählt. Als der Verdacht auf Tomaten und anderes Gemüse fiel, verhängte Russland ein Einfuhrverbot für deutsches Grünzeug. Ich selbst legte zum ersten Mal in meinem Leben aus Gesundheitsgründen eine Fast-Food-Woche ein und ernährte mich nur von Pommes und Currywurst.
    Im Mittelalter, zur Zeit des «Schwarzen Todes», erließen Gesundheitsmagistrate Regeln, die die Infektionswege erschweren sollten, so war es Pestkranken in Florenz z.B. verboten, auf Jahrmärkte und zu Tanzabenden zu gehen. Man kann sich eh kaum vorstellen, dass einen noch jemand zum Tanz auffordert, wenn man unter Beulenpest leidet. So oder so: Die Trennung von Kranken und Gesunden war das Einzige, was man machen konnte, so unmenschlich es im Einzelfall auch war.
    Als der Papst hörte, dass Kranken in Florenz auch der Besuch des Gottesdienstes verwehrt wurde, exkommunizierte er 1630 den gesamten Magistrat der Stadt. Das war die Höchststrafe in dieser tiefgläubigen Zeit, der direkte Fahrschein in die Hölle. So beförderte die Kirche aber leider die Ausbreitung des Grauens.
    Als die Pest verschwand, fehlte die Hälfte bis drei Viertel der Bevölkerung. Noch heute gibt es

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