Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Christenheit, genannt Weihnachten. Mit vier Wochen Advents-Countdown – dagegen ist Halloween ein Kindergeburtstag! Zählt man dann noch den Zeitraum ab Mitte August dazu, wenn man den ersten Christstollen beim Discounter erwerben kann, sind wir schon bei vier Monaten Countdown in Sachen besinnlicher Kommerz. Ich bin mir fast sicher: Die Kirche bekommt jedes Jahr im Rahmen einer geheimen Gala die «Goldene Kasse des Einzelhandels» verliehen.
Doch vor allem Protestanten fühlen sich durch Halloween herausgefordert, fällt doch das Fest mit dem 31 . Oktober auf den Gedenktag an Luthers Vandalismus in Wittenberg. Und so ist Verlass darauf, dass sich an diesem Tag ein Pfarrer im Radiostudio vors Mikrophon stellt und fragt, warum man an diesem Tag denn nicht lieber den Reformationstag feiert. Ja, warum eigentlich nicht? Ich wäre dabei! Aber dann muss auch ein bisschen Spaß dabei sein. Dann möchte ich im Supermarkt Lutherkostüme kaufen können. Und die Kinder dürfen ihre Wünsche an die Kirchentüren nageln. Es ist doch nicht so schwer.
Stradivari – Qualität aus Italien
Nun machen also in der Frühen Neuzeit endlich mal die Deutschen von sich reden: Von den drei wichtigen Großereignissen in Europa gehen immerhin zwei auf das Konto der Deutschen: die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und die Reformation. Nur die Entdeckung Amerikas können andere für sich verbuchen.
Aber auch Italien erstarkte in dieser Zeit: «Renaissance» nennt man diese Epoche dort, die Wiedergeburt der Antike: Das antike Wissen wurde neu entdeckt oder wiederbelebt, insbesondere in den Künsten. Tatsächlich schwang sich Italien zu ungeahnten Höhenflügen auf. Indes, die Zeit, in der fast ganz Europa politisch durch Italien beherrscht und geprägt wurde, war vorbei.
In der Malerei gehörten Leonardo da Vinci und Michelangelo zu den herausragenden Künstlern: Beide schufen Kunst, die Menschen wirklich bewegte und es noch heute tut. Vor der Mona Lisa im Louvre in Paris erschießen sich später Zuschauer vor Begeisterung, und auch der erste Betrachter von Michelangelos fünfzig Nackten an der Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom starb vor Rührung: Es war der Papst, der im Vorfeld darauf gedrängt hatte, das Gemälde endlich zu zeigen.
Vorher musste Michelangelo über vier Jahre auf einem Holzgestell dicht unter der Decke auf dem Rücken liegend arbeiten. Eine sehr anstrengende Arbeitshaltung, wie man sich vorstellen kann. Pech für ihn, dass es damals noch kein
Kieser Training
gab. Vielleicht schlief er zur Erholung im Stehen?
Europa, nein, die ganze Welt profitiert noch heute von den großen Kulturleistungen Italiens dieser Zeit. So baute Antonio Stradivari vor rund dreihundert Jahren Bratschen, Celli und vor allem Geigen, die noch heute zu den besten gehören, die man spielen kann, sofern man bereit ist, bis zu zwölf Millionen Euro für sie hinzulegen. Der Showgeiger André Rieu war es – das feine Instrument konnte sich leider nicht wehren.
Stradivaris sind so kostspielig, dass sich selbst die West LB zwei zu Anlagezwecken zulegte. Vielleicht das einzige Investment der Landesbank, das bis zu ihrer Auflösung nicht floppte. Ganz anders bei der Bremer Sparkasse, die Stradivaris vom führenden Stradivari-Händler Dietmar Machold als Sicherheiten für Kredite einlagerte. Der Skandal: Der umtriebige Österreicher hinterlegte wertlose No-name-Geigen, bis ein Sachverständiger den Bremern versicherte, in ihrem Safe lägen keine Stradivaris, sondern Schülergeigen. In dem Moment flog einer der größten Schwindel des Instrumentenhandels auf. Machold ging pleite und wurde angeklagt. Und das Magazin
Der Spiegel
musste für einen Artikel mit dem Titel «Alles vergeigt» fünf Euro in die internationale Wortspielkasse in Den Haag stecken.
Dass die Stradivari-Geigen auch nach dreihundert Jahren nichts von ihrer Qualität eingebüßt haben, wirft eine Frage auf. Wie kann Qualität, Langlebigkeit und Perfektion überhaupt aus Italien kommen? Heute traut man den Italienern diesbezüglich nicht so viel zu. Als Mario Draghi die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank übernahm, gab es viele Zweifler: Ein Italiener, zuständig für die Stabilität und Solidität unserer Währung? Sind wir mit einem obersten Währungshüter aus Italien auf einem guten Weg?
Blickt man allein auf die Geschichte, mag man diese Frage mit «ja» beantworten, denn das Bankwesen an sich ist eine italienische Erfindung. Seit zweitausend Jahren
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