Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
von Mönchen bei flackerndem Kerzenlicht reproduzieren zu lassen. Priester ahnten noch nicht, dass eines Tages in fast jedem Haushalt und in jeder Schublade eines Hotelnachttisches eine Bibelkopie liegen wird. Wozu braucht es noch den Priester, wenn man Gottes Wort selber lesen kann? Um ihren Job mussten diese allerdings zunächst trotzdem nicht bangen, Live-Hörbücher, also Gelehrte, die das Geschriebene vortrugen, waren auch nach der Erfindung des gedruckten Buches gefragt. Nur die wenigsten Menschen konnten lesen, vor allem nicht Latein.
Luther war ein Blogger
Abhilfe schaffte hier Luther mit seiner bahnbrechenden Übersetzung der Bibel ins schnöde Deutsch. Das war im Jahr 1522 so skandalös wie zuletzt der Versuch, die Bibel als Comic zu drucken, um mit ihm Menschen zu erreichen, die noch heute keine längere Passagen lesen können, egal, in welcher Sprache.
Luthers Bibel war nicht nur auf Deutsch, sie war auch für jedermann verständlich verfasst, man solle «den Kindern in der Gasse, den Frauen im Haus und den Männern aufs Maul schauen», um die richtigen Worte zu finden, sagte er. Ein grandioser Ansatz, der heute bei vielen Autoren leider wieder in Vergessenheit geraten ist.
Das Neue Testament ist ein Text, der das Zusammenleben der Menschen so umfassend regelte, wie es heute Gesetze, philosophische Schriften und Mietverträge zusammen tun. Keiner dieser Gegenwartstexte ist wirklich verständlich, nicht mal die Betriebsanleitung für ein Modem. Im Gegenteil, heute machen es Wissenschaftler und Juristen wieder wie einst der Klerus vor Luther: Sie drücken sich absichtlich so kompliziert aus, dass nur sie selbst und eifrige Kollegen ihre Schriften deuten können. In dieser Hinsicht könnten wir uns also durchaus ein Beispiel an Luther nehmen. Tetzels Ablasshandel war für ihn der «Stein des Anstoßes», er legte sich mit «Feuereifer» mit dem Vatikan an, akzeptierte kein «Machtwort» des Papstes. Die Menschen sah er «mit Blindheit geschlagen». Trotz des ungleichen Machtkampfes mit der Kirche wollte er sein «Licht nicht unter den Scheffel stellen» und schuf so viele neue Redewendungen und anschauliche Ausdrücke, die sich noch heute in jedem zeitgemäßen Satz sehen lassen können. Zeitweise war er in großer Gefahr und trotzdem immer voller Tatendrang: «Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz!»
Luthers Bibelübersetzung bzw. deren Verbreitung im Volk geht Hand in Hand mit Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks kurz zuvor: Ohne ihn hätten Luthers Texte nicht ihren Siegeszug antreten können, vielleicht hätten wir nie etwas von ihm gehört. Dank des klugen Mainzers jedoch konnte Luther einfach in eine Druckerei marschieren und dreitausend Stück bestellen. Die Auflage war sofort ausverkauft und einer der Auslöser der Reformation.
Wer ein Buch übersetzt, muss es viel genauer lesen als jemand, der es nur liest. Gerade weil man in zwei Sprachen nach der Bedeutung von Wörtern sucht – suchen sollte! Zu unserer Zeit erschien die Biographie des viel zu früh verstorbenen Applegründers Steve Jobs. Auch er eine Heiligkeit, für manche ein Gott, zumindest hatte und hat er viele Jünger. Er schuf Computer und Handys, die Erlösung versprachen, und war für seine Genauigkeit, für das Ringen nach der besten Lösung bekannt. Das Buch über sein Leben wurde sofort eine Art Bibel für seine Anhänger und sollte schnell ins Deutsche übersetzt werden. Da hätte man einen Mann wie Luther gebraucht, der sprachlich so süchtig nach Exaktheit war wie Jobs nach der Perfektion seiner Geräte. Stattdessen entschied man sich für ein Heer von Übersetzern, die in Windeseile den Text ins Deutsche gezerrt und dabei ein Beispiel davon gegeben haben, was eine schlechte Übersetzung anrichten kann. Steve Jobs wirkte im sagenumwobenen «Silicon Valley» in Kalifornien. In der deutschen Ausgabe wurde es zum «Silikontal». Dabei war das Tal weder für seine Brustimplantate noch für Fensterdichtungen berühmt, sondern für seine Computer, für die Silizium ein wichtiger Bestandteil ist.
So eine Schludrigkeit hätte sich Luther niemals erlaubt. Was die Bibel betraf, musste er zum Schluss gekommen sein, dass die meisten Priester sie nicht richtig, wenn überhaupt lasen. Auf keiner Seite findet sich der Hinweis, Gott würde den Menschen ihre Sünden vergeben, wenn sie einen kostenpflichtigen Ablassbrief aus den gierigen Händen Tetzels kauften. Priester schienen wie heutige Versicherungsvertreter darauf zu
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