Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
beauftragte eine kleine Fabrik vor Ort, seine Entwürfe gleich umzusetzen, flog zurück nach Hause und wartete dann in Köln auf die Ware, die nach ein paar Wochen auch vereinbarungsgemäß eintraf. Als wir das Zeug dann aber gemeinsam auspackten und gleich anprobieren wollten, traf uns fast der Schlag: Keiner kam mit dem Kopf durch ein T-Shirt, geschweige denn mit den Füßen durch die Hosenbeine! Die Bündchen waren allesamt viel zu eng.
Noch am selben Mittag fuhr ich meinen aufgebrachten Robert zum Düsseldorfer Flughafen. Er hatte noch nicht einmal irgendetwas zusammengepackt, denn er wollte so schnell wie möglich in die Türkei. Zwischenzeitlich hatte er seinen türkischen Geschäftspartner angerufen, der ebenfalls alles stehen und liegen ließ und ihn begleitete. In Istanbul angekommen, stellten die beiden fest, dass die Fabrik schlichtweg vergessen hatte, Lycra in die Bündchen einzuweben.
Es war eine Katastrophe, und Robert war verzweifelt und stinksauer zugleich. In seinem Gefühlschaos hatte er aber dann doch noch eine Idee, wie er nicht die komplette Kollektion in die Tonne kloppen musste: Er ließ die fehlerhaften Bündchen einfach abschneiden und neue, diesmal welche mit Lycra-Anteil, annähen! So wurden zwar alle Sachen eine Größe kleiner – aus XL wurde L, aus L wurde M und aus M wurde S. Aber er konnte dadurch noch ein paar hundert Stücke retten. Der Rest aber war verloren, außerdem ging diese unkonventionelle Art der Umarbeitung freilich auch nicht bei allen Exemplaren gut. Der finanzielle Verlust war schmerzhaft, aber Robert bekam dadurch gerade noch die Kurve.
Ein anderes Mal hatte er eine »Dragon Collection« entworfen, die er mit Metall-Etiketten versehen lassen wollte. Diese besonderen Labels sollten mit vier Nieten auf einem Stückchen Kunstleder befestigt werden, bevor dann das ganze Kunstwerk auf die Kleidung genäht wurde. Er war sich hundertprozentig sicher, dass ihn der kleine Blechdrachen endgültig in die erste Fashion-Liga katapultieren würde. Darum bestellte er gleich ein paar hunderttausend Stück bei einer anderen Istanbuler Fabrik, die ihm empfohlen wurde, und er ließ sich sicherheitshalber schriftlich zusichern, dass die Dinger nicht rosten würden.
Der entsprechende Katalog für die »Dragon Collection« wurde praktischerweise auch gleich in der Türkei fotografiert, also reiste ich nach – immerhin war ich für Robert ein begehrtes, weil günstiges Model! Mir machte das Ganze riesigen Spaß, das hatte ich ja auch gelernt. Wenn man sich heute die alten »Uncle Sam«-Kataloge anschaut, bin ich fast auf jeder Doppelseite zu sehen. Wie auch immer: Als Schauplatz hatte er sich die berühmten Kalkterrassen von Pamukkale ausgesucht. Die stehen auf der Welterbeliste der Unesco und sehen in der Tat sehr fotogen aus. Sie haben aber den entscheidenden Nachteil, dass es dort noch ein wenig heißer ist als in der Türkei im Sommer ohnehin schon. Das bedeutete im Klartext, dass wir unsere Aufnahmen bei Minimum fünfundvierzig Grad machen mussten, noch dazu in der prallen Sonne, weil es dort keinerlei Schatten gab. Ich verging beinahe vor Hitze und kippte nach dem dritten Shooting komplett aus den Latschen. Trotzdem bekamen wir nach ein paar wahnsinnig anstrengenden Tagen tolle Bilder zusammen.
Wenige Wochen später waren dann auch wie geplant die Schilder auf alle Klamotten genäht. Die ersten Container der »Dragon«-Linie kamen am frühen Morgen in Köln an. Robert holte sie selbst ab und brachte sofort ein paar Sachen davon mit nach Hause, um sie mir zu zeigen. Ich war begeistert. Routinemäßig steckte er sie zum Probewaschen in unsere Waschmaschine. Nach einer dreiviertel Stunde bei vierzig Grad wäre er fast rückwärts in die Badewanne gekippt – und ich gleich mit: Die Schilder waren tatsächlich wie vereinbart vollkommen rostfrei. Die Nieten jedoch, mit denen sie auf den Lederstücken halten sollten, sahen aus wie eine Coladose nach zwanzig Jahren Dauerregen! Auf den schwarzen und lilafarbenen Stücken hielt sich das Korrosions-Desaster gerade noch in Grenzen. Aber alles, was weiß, rot oder beige war, war im Grunde genommen für den Schredder. Wenn Robert diese Kollektion an seine Kunden rausschicken würde, dann könnte er einpacken. Die Ware hatte aber einen Wert von einer halben Million Mark – Kohle, die er einfach brauchte, weil er sonst seine Lieferanten nicht mehr bezahlen konnte. Die Kacke war also mächtig am Dampfen, und die ganze Firma stand plötzlich auf
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