Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
gekauft hatten. Das war eine ganz gute Kombination, fanden wir.
»Groß denken, nicht klein.«
Ein paar Tage später ging’s los. Aus den bisherigen ein, zwei Bestellungen pro Tag wurde nun ein Dutzend. Wir wussten plötzlich, was der richtige Weg war. Nur: Mit einer einzigen Transferpresse würde das nicht mehr lange funktionieren. Und auch unser Warenbestand ging langsam, aber sicher zur Neige. Wir brauchten im Prinzip fertige Ware, die schon unterschiedliche Motive hatte. Sonst druckten wir uns im Hinterzimmer unseres Ladens einen Wolf und kamen nie mehr hinterher. Ich musste also dringend wieder in die Türkei.
Leider stellte sich vor Ort schnell heraus, dass die Fabrik vom letzten Mal dafür nicht mehr geeignet war: Den Betreibern ging es nur um hohe Stückzahlen. Sie zogen nicht recht bei dem Gedanken, möglichst viele unterschiedliche Produkte herauszubringen. Unser Kontaktmann, der uns beim ersten Besuch zu jener Fabrik geführt hatte, war aber zum Glück auch noch da. Er hatte sogar inzwischen ebenfalls in Merter ein knapp fünfzig Quadratmeter kleines Atelier mit einem riesigen Zuschneidetisch angemietet. Es lag in einer verwinkelten, kleinen Gasse und war umzingelt von Fabriken, die ihre Chemikalien und Abwässer alle ungefiltert in die Kanalisation einleiteten. Um uns herum stank es erbärmlich, außerdem war es donnernd laut. Doch der Chef behielt in diesem ganzen Irrsinn eine bewundernswerte Ruhe und stellte mir seine Werkstatt zur Verfügung.
Obwohl ich so etwas nie gelernt hatte, entwarf ich die folgenden Tage in dieser Hinterhofbutze zahlreiche Motive. Das funktionierte so, dass ich mir aus verschiedensten Vorlagen Bilder oder Grafiken aussuchte – und dann neu zusammenstellte. Mit meinen Ideen ging ich dann zu den Fabriken in der unmittelbaren Umgebung und gab die Teile in Auftrag. Meine türkischen Freunde wussten genau, an wen ich mich wenden musste. Und so organisierte ich einen, der uns den Stof f lieferte, einen, der die Sachen zuschnitt, einen für die Etiketten, einen für die Reißverschlüsse und so weiter. Wie ein Puzzle bauten wir uns unsere Klamotten zusammen und schafften es innerhalb weniger Wochen, eine ganze Kollektion aus dem Boden zu stampfen. Ich überlegte mir für die Linie einen griffigen Namen, der allerdings keinen weiteren Sinn hatte: Wingswind.
Sofort danach brachten wir die Wingswind-Sachen nach Köln, um sie in einem alten Flugzeughangar fotografieren zu lassen. Natürlich hatten wir immer noch keine Kohle für eine große Produktion. Immerhin musste unser Bekannter nicht mehr in die Bresche springen: Für einen professionellen Mode-Fotografen reichte es jetzt erstmals! Dafür durfte neben Carmen, die dankenswerterweise gleich noch ein paar Freundinnen mit anschleppte, auch mein Bruder Michael als Model ran. Ich wollte ja nicht gleich übermütig werden! Zumal mich die Druckkosten von dem Ding schlaflose Nächte kosteten: Diesmal war nämlich alles in Farbe, und bei der Auflage gingen wir richtig in die Vollen und ließen hunderttausend Stück herstellen!
MiRo hatte nun einen richtigen Katalog, mit sechzehn Seiten und eigenen und vor allem fertigen Produkten drin. Das Teil ging an den inzwischen bewährten Verteiler raus, dazu noch an ein paar tausend Friseursalons. Blöd war nur, dass wir zwischen dem Erstellen der Kollektion und den ersten Bestellungen ziemlich viel Zeit überbrücken mussten. Das hatten wir in dieser Tragweite nicht auf dem Schirm. So vergingen mehrere Monate, in denen keinerlei Geld hereinkam.
In unserer geschäftlichen Not kauften wir immer samstags marode Gebrauchtwagen auf, ließen sie von einem befreundeten Kfz-Mechaniker wieder so gut wie möglich zusammenschrauben und verkauften sie wieder. Das brachte zwar jeweils immer nur ein paar hundert Mark ein. Aber wir brauchten einfach jeden einzelnen Pfennig für unsere Firma! Und warten konnte ich noch nie. Das kann ich auch heute noch nicht!
Zu dieser Zeit kam ein Kontakt zustande, ohne den die ganze weitere Geschichte niemals möglich gewesen wäre. Irgendwie hatte es sich wohl in der Branche herumgesprochen, dass es da in Köln zwei Typen gab, die ein durchaus vielversprechendes Geschäft mit Sportkleidung aufzogen. Eines Tages meldete sich bei uns ein etablierter Textilunternehmer, der ebenfalls aus der Türkei stammte, sich aber in Deutschland längst eine Existenz aufgebaut hatte: Ekrem hieß der Mann. Er trug immer Sakko mit Krawatte und hatte in der Türkei wirklich große Fabriken
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