Von Ratlosen und Löwenherzen
verschwiegenes Landgut zurückzuziehen.
Die Engländer sollten bald feststellen, dass der junge König kein Interesse an Rachefeldzügen gegen jene Lords hatte, die Isabellas und Mortimers Regime mitgetragen oder geduldet hatten. Edward hatte aus den Fehlern seines Vaters gelernt. Ihm war an einer Aussöhnung mit dem Adel gelegen, er wollte ein Ende der Machtkämpfe und Kleinkriege, denn ihm war klar, dass ein König nur mit dem Adel regieren konnte, nicht gegen ihn. Und ebenso wusste er, dass der Adel sich nur hinter einem gutenund starken König vereinte, also hatte er beschlossen, genau das zu sein. Er wollte weder mit eiserner Faust herrschen wie sein Großvater noch mit Günstlingswirtschaft wie sein Vater, sondern er gedachte, seine Lords mit der Pracht seines Hofes für sich zu gewinnen und mit den Idealen des Rittertums zu bezaubern und zusammenzuschweißen, wie sein großes Vorbild, König Artus, es getan hatte. (Wie wir bereits festgestellt haben, hat es diesen legendären König ja leider nie gegeben, aber die Geschichten über ihn und die Ritter seiner Tafelrunde waren im 14. Jahrhundert schon genauso beliebt wie heute.)
Edward erreichte dieses ehrgeizige Ziel vor allem dank seiner Persönlichkeit. Er umgab sich vornehmlich mit jungen Männern und Damen, die seine Ideale teilten, aber er hörte auch auf den Rat der Graubärte und weisen Bischöfe – oder zumindest erweckte er glaubhaft den Anschein. Er war ein großer Turnierkämpfer und liebte ganz im Gegensatz zu seinem Vater alle Sportarten und jeden Zeitvertreib, die als höfisch und ritterlich galten. Diese Lebensführung und sein großer Hof verschlangen Unsummen an Geld, aber darüber machte er sich keine Gedanken, denn Prunk und Freigiebigkeit gehörten nun mal zu den Tugenden eines Königs, wie er ihn sich vorstellte. Unbekümmert lieh er sich Geld bei den italienischen Bankhäusern in London, bei der Hanse und bei jedem anderen, den er mit seinem Charme um den Finger wickeln konnte.
1332 und 1333 stellte Edward bei mehreren Schottlandfeldzügen erstmals sein strategisches Talent unter Beweis. Am 20. Juli 1333 brachte er den Schotten bei Halidon Hill eine empfindliche Niederlage bei, die die Schmach der verlorenen Schlacht von Bannockburn auslöschte. (Das war allerdings auch schon so ziemlich alles, was dieser Sieg einbrachte.) Edward verdankte seinen Erfolg einer neuen Taktik, in der Schlacht gut bewaffnete und perfekt ausgebildete Fußsoldaten und vor allem Bogenschützen einzusetzen. Das funktionierte so hervorragend, weil es neu war und die Schotten keine Antwort darauf fanden.
Doch schon bald verlor König Edward das Interesse an Schottland, denn er hatte ganz andere, viel ehrgeizigere Pläne.
Edward III. (rechts) mit seinem Schwager, David von Schottland, den er jahrzehntelang gefangen hielt
Der König von Frankreich machte nämlich wieder einmal Ärger. Das war ja nun weiß Gott nichts Ungewöhnliches, aber ungewöhnlich war Edwards Art, mit diesem Dauerärgernis umzugehen. Wieder einmal verlangte der König von Frankreich einen Lehnseid für Aquitanien. Gleichzeitig hatte er aber seine Flotte, die eigentlich für einen Kreuzzug vorgesehen war, von Marseille in die normannischen Häfen verlegt und bedrohte damit die englische Südküste.
Den Lehnseid kannst du vergessen, Cousin, ließ König Edward ausrichten.
Na schön, sagte Philip von Frankreich, dann erkläre ich dich eben für enteignet, und Aquitanien fällt an die Krone. Die französische Krone, meine ich natürlich.
Ach, wirklich?, schrieb Edward zurück. Dann wollen wir jetzt doch mal ganz andere Seiten aufziehen: Ich erhebe Anspruch auf die französische Krone, denn ich stehe ihr näher als du, und wenn du sie mir nicht freiwillig gibst, komm ich sie mir holen.
Der Anspruch war nicht einmal abwegig. 1328 war nach über 300 Jahren das französische Königsgeschlecht der Kapetinger ausgestorben, und der jetzige König, Philip VI., war ein Valois, die nur eine Seitenlinie der Kapetinger bildeten. König Edwards Mutter, die Wölfin Isabella, war aber eine waschechte Kapetinger-Prinzessin, und so konnte man durchaus argumentieren, dass Edward dem französischen Thron näher stand als Philip. Falls denn eine Frau einen Thronanspruch vererben konnte, was die Franzosen natürlich postwendend bestritten.
Na schön, befand König Edward, und wir können getrost davon ausgehen, dass er mit der Entwicklung der Ereignisse hochzufrieden war: Dann sammle ich eben meine Ritter und
Weitere Kostenlose Bücher