Von Ratlosen und Löwenherzen
Lancaster
Edwards erste Amtshandlung nach seinem Sieg bestand natürlich darin, Vater und Sohn Despenser aus dem Exil zurückzuholen. In York verkündete der König ein Statut, das die »Ordinances« außer Kraft setzte und die Macht der Krone wiederherstellte, dann kehrte er mit den Despensers und dem Rest seiner Parasiten nach Westminster zurück, um unverdrossen alle Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
Aber mochte sein Cousin Lancaster auch den Kopf verloren haben, war die Opposition doch genauso zählebig wie Edwards Unfähigkeit. Und dieses Mal vereinte diese Opposition sich hinter der Königin, die die Despensers ebenso leidenschaftlich verabscheute wie umgekehrt.
1325 begingen die sonst so gerissenen Despensers einen taktischen Fehler: Um neuerliche Unstimmigkeiten mit dem König von Frankreich auszuräumen, stimmten sie zu, Königin Isabella in einer diplomatischen Mission nach Frankreich zu schicken. Das war naheliegend, weil der König von Frankreich ja ihr Bruder war, das war aber vor allem auch bequem, weil sie sich ihre mächtige Feindin damit vom Hals schafften.
Doch schnell wurde Isabellas kleiner Hof in Frankreich zur Anlaufstelle für alle Engländer, die ihrer Heimat nach und nach schaudernd den Rücken kehrten und nichts sehnlicher wünschten, als die Macht der Despensers zu brechen. Zu denen, die sich Isabella anschlossen, gehörte auch der schneidige, unerschrockene Roger Mortimer, dem die Flucht aus dem Tower geglückt war, und es dauerte nicht lange, bis Isabella ihn zu ihrem Liebhaber erwählte.
Im Herbst desselben Jahres machten die Despensers ihren zweiten fatalen Fehler: Der König von Frankreich verlangte für Aquitanien den leidigen Lehnseid von König Edward, unddamit der diesen unliebsamen Treueschwur nicht selbst leisten musste, erhob er kurzerhand seinen Sohn und Erben Edward zum Herzog von Aquitanien und schickte ihn nach Frankreich, um den Eid abzulegen. So kam es, dass Isabella das wertvollste Pfand in die Hände fiel, das sie sich nur hätte wünschen können: der zukünftige König von England.
Nun hielt sie nichts mehr. Weil ihr Bruder, der König von Frankreich, ihre skandalöse Affäre mit Roger Mortimer nicht länger mit ansehen wollte, verließen sie seinen Hof und reisten zu ihrem Cousin Guillaume, dem Grafen von Hainault (Hennegau), Holland und Seeland, der ihnen Truppen versprach, wenn der englische Kronprinz dafür seine Tochter Philippa heirate.
Abgemacht, entschied Isabella, und am 23. September 1326 segelten die Wölfin, der Lover, der Kronprinz und die Hainaulter Truppen nach England, um den König zu entmachten und seine Parasiten unschädlich zu machen.
Ihre Truppe war klein, aber ihr Zulauf, sobald sie in England landeten, war gewaltig. Isabella und ihre Anhänger nahmen England ein, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Nach und nach wurden die Despensers und die übrigen Angehörigen der Schmarotzerfraktion aufgespürt und hingerichtet. Der König selbst geriet am 16. November in Gefangenschaft, wurde nach Kenilworth Castle gebracht und dort mit allen Ehren, die einem König zustanden, verwahrt. Prinz Edward, gerade vierzehn Jahre alt geworden, wurde zum Regenten ernannt und ein Parlament in seinem Namen einberufen.
Aber ein solches juristisches Konstrukt – ein Regent, während es noch einen König gab – war unbekannt und bot keinerlei Rechtssicherheit. Also reiste im Januar 1327 eine Delegation unter dem Bischof von Hereford nach Kenilworth, um den König zu überreden, abzudanken und die Krone an seinen Sohn weiterzureichen. König Edward fiel aus allen Wolken. Wieso das denn?, verlangte er zu wissen. Er sei doch derKönig. Offenbar hatte er nicht das geringste Unrechtsbewusstsein, was man ihm insofern nachsehen muss, als der Gedanke völlig neu war, dass man einen unfähigen König vom Thron stoßen konnte. Dieses politische Instrument wurde quasi gerade erst erfunden.
Unter erheblichem Druck der Gesandten und Strömen von Tränen dankte Edward II. also schließlich ab, und die Wölfin Isabella und ihr Geliebter Mortimer begannen im Namen des jungen Edward eine Regierung, die mindestens genauso grottenschlecht war wie die des alten Königs.
Letzterer erwies sich zunehmend als Ärgernis. Mehrfach wurden Versuche unternommen, ihn zu befreien und wieder auf den Thron zu hieven. Also sperrte man ihn in Berkley Castle in ein richtiges Verlies – Schluss mit der Luxusunterbringung –, aber selbst da holten seine unbeirrbaren Anhänger
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