Von Ratlosen und Löwenherzen
ihn um ein Haar heraus. Darum beschlossen Isabella und Mortimer, dass es an der Zeit war, den ausgedienten König diskret zu entsorgen.
Jetzt gibt es zwei Versionen: Die eine besagt, dass eine Handvoll königstreuer Männer Edward bei Nacht und Nebel befreite und außer Landes brachte, woraufhin er mehr oder minder die ganze damals bekannte Welt bereiste, bis seine Spur sich nach ein paar Jahren verliert.
Die andere – schaurige – Variante ist leider die wahrscheinlichere: Der Befehl lautete, den König so aus dem Leben zu befördern, dass keine äußeren Spuren erkennbar wären. Also beschlossen die Wachen in Berkley, ihn verhungern zu lassen. Das ging ihnen aber zu langsam, und darum fügten sie ihm schließlich eine tödliche, aber unsichtbare Verletzung zu, indem sie ihm einen glühenden Schürhaken ins Rektum einführten.
Dieser barbarische Königsmord – so er denn stattgefunden hat – ging auf das Konto von Isabella und Mortimer. Der junge König Edward hatte keinerlei Einfluss auf die Ereignisse.
Es ist natürlich unmöglich zu sagen, was während dieser turbulenten Monate in ihm vorgegangen sein mag. Vermutlich war der Jämmerling auf dem englischen Thron ihm peinlich, denn der Prinz glaubte an all die Ideale von König- und Rittertum, die sein Vater nicht hatte verkörpern können. Aber zu den traditionellen Werten gehörte natürlich auch, dass ein Sohn seinem Vater Loyalität schuldet, und es darf bezweifelt werden, dass der junge Edward billigte, wie seine Mutter und deren Geliebter ihn instrumentalisierten. Aber er war machtlos.
Noch.
Am 1. Februar 1327 war er mit Zustimmung des Parlaments und unter dem Jubel der Londoner, die seit jeher eine Schwäche für hübsche junge Ritter hatten, zu Edward III. von England gekrönt worden. Und auch wenn die Zeremonie ein wenig hastig zusammengeschustert war, mangelte es ihr doch nicht an Feierlichkeit und angemessenem Pomp. (Die Kosten beliefen sich auf 2800 Pfund. Dafür hätte ein Weber 700 Jahre arbeiten müssen.)
Der vierzehnjährige König leistete seinen Krönungseid mit feierlichem Ernst und wurde anschließend hinter irgendwelche Burgmauern abgeschoben, wo er seine schulische und ritterliche Ausbildung fortführen und in Vergessenheit geraten sollte, während die Wölfin und der Lover mit England Schindluder trieben. Sie bereicherten sich schamlos, verfolgten und drangsalierten ihre Widersacher unter Missachtung aller Gesetze und schlossen einen Friedensvertrag mit Schottland, den jeder Engländer als faul und schändlich empfand – und all das taten sie in Edwards Namen.
Doch Edward III. war aus anderem Holz geschnitzt als sein Vater. Tatsächlich sollte er einer der größten Könige werden, die England je hervorgebracht hat. Dreieinhalb Jahre lang musste er das Unrechtsregime seiner Mutter und ihres Liebhabers mit ansehen, aber er blieb nicht untätig. Im Januar 1328 heiratete er Philippa, die Tochter des Grafen von Hainault, wieseine Mutter es ausgehandelt hatte, und im Juni 1330 brachte sie den Thronfolger zur Welt (schon wieder ein Edward, der als der Schwarze Prinz in die Geschichte eingehen sollte). Die Geburt des Prinzen gab dem jungen König Selbstvertrauen, seine kluge Frau stärkte ihm den Rücken, und obwohl Mortimer ihn Tag und Nacht bespitzeln ließ, gelang es Edward, sich mit ein paar guten Freunden zu verbünden und den päpstlichen Segen für seinen Plan einzuholen. (Um Mortimers Spionage auszuhebeln, hatte Edward dem Papst geschrieben, nur solche Briefe seien echt, die die Worte »pater sancte« in seiner eigenen Handschrift enthielten. Die Schriftprobe dieses Geheimcodes ist die älteste erhaltene Handschrift eines englischen Königs.)
Am 19. Oktober 1330, einen knappen Monat vor seinem achtzehnten Geburtstag, drang Edward mit einer Handvoll Getreuer durch einen unterirdischen Geheimgang in Nottingham Castle ein, wo seine Mutter und Roger Mortimer gerade residierten. Sie fanden sie im Schlafgemach, und als Edward dem Lover seiner Mutter erklärte, dass er verhaftet sei und der König selbst fortan das Land regieren werde, bat Isabella die Wölfin um Gnade für ihren Liebsten. Aber daraus wurde nichts. Roger Mortimer, inzwischen zum Earl of March erhoben, wurde wegen einer Vielzahl von Verbrechen, die er allesamt begangen hatte, im November in London hingerichtet – aufgehängt am öffentlichen Galgen in Tyburn wie ein gewöhnlicher Dieb. Seine Mutter begnadigte Edward hingegen und erlaubte ihr, sich auf ein
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