Von Ratlosen und Löwenherzen
Mätressen irgendetwas anzuhängen.
Alles, was in England und Aquitanien in den 70er und 80er Jahren des 14. Jahrhunderts schiefgegangen ist, haben die Zeitgenossen John of Gaunt, dem Duke of Lancaster, zur Last gelegt. Das ist aber ebenso falsch wie unsachlich.
Lancaster hatte das undankbare Los, von seinem Bruder einen Krieg und von seinem Vater eine Regierung zu erben, die beide im Begriff waren, völlig aus dem Ruder zu laufen. Als mit König Edward und dem Schwarzen Prinzen der Glamour-Faktor aus der Gleichung genommen wurde, merkten mit einem Mal alle, dass der Krieg so gut wie verloren und England völlig pleite war.
Lancaster sei an allem schuld, befanden die Londoner, die Commons und eine Handvoll Lords unter der Führung des Bischofs von Winchester, und im sogenannten »guten Parlament« von 1376 präsentierten sie ihm die Rechnung und setzten alle Regierungsbeamten, die er berufen hatte, in einem neuen, »Impeachment« genannten Misstrauensverfahren ab.
John of Gaunt bei einem seiner liebsten Amtsgeschäfte: einem Staatsbankett
Aber Lancaster ließ sich nicht so leicht entmachten. Nach Beendigung des Parlaments machte er dessen Beschlüsse nach und nach rückgängig. Das stabilisierte die Regierung, nährte aber auch den Argwohn seiner Widersacher. Als der König 1377 starb, rechneten sie alle damit, dass Lancaster die Macht an sich reißen werde, aber sie täuschten sich. Persönlich organisierte und überwachte er die Krönung seines elfjährigen Neffen Richard, der ein Sohn des Schwarzen Prinzen war und am 16. Juli 1377 zu Richard II. von England gekrönt wurde.
In den kommenden zwanzig Jahren sollte so mancher Engländer zu der Erkenntnis gelangen, dass es besser gewesen wäre, Lancaster hätte sich die Krone genommen.
Da dieser Duke of Lancaster und seine Nachkommen uns bis zum Ende unserer Geschichte beschäftigen werden, wollen wir ihn uns ein wenig genauer anschauen. Wie erwähnt, wurde er im März 1340 in Gent geboren und war der mittlere der sieben Söhne von König Edward und Königin Philippa (die esaußerdem auch noch auf fünf Töchter brachten). Zu den großen Errungenschaften dieses Königs und seiner Königin, die viel zu selten erwähnt wird, gehört ihr harmonisches Familienleben. Sie erinnern sich doch bestimmt noch, wie die Söhne des Eroberers oder Henrys II. sich bis aufs Messer bekämpft haben? Verglichen damit scheint es fast ein Wunder, dass die fünf Söhne von Edward und Philippa, die das Erwachsenenalter erreichten, nie Krieg gegeneinander führten, sondern im Gegenteil meist zusammenstanden, obwohl sie charakterlich kaum verschiedener hätten sein können.
John of Gaunts Kindheit und Jugend waren vor allem vom Krieg geprägt. Schon früh kam er zur ritterlichen Ausbildung in den Haushalt seines großen Bruders, des Schwarzen Prinzen, den er über die Maßen bewunderte. Mit zehn Jahren erlebte er die Seeschlacht von Winchelsea, erhielt mit fünfzehn seinen Ritterschlag, mit neunzehn befehligte er erstmals eine eigene Truppe während eines zermürbenden Kriegswinters in der Normandie. Der Sieg bei Najera, wo er die Vorhut anführte, war sein Verdienst.
Den Titel des Duke of Lancaster erlangte er, weil sein Vater ihn mit der einzigen Erbin seines Cousins, Henry of Lancaster, verheiratete. (Diese Heiratspolitik, die Lords durch eheliche Verbindungen mit seinen Söhnen und Töchtern noch enger an sich zu binden, gehörte zu Edwards politischem Programm.) Als Duke of Lancaster wurde John der größte Landeigner in England nach der Krone und der reichste der englischen Lords.
Das war auch gut so, denn seine Prunksucht und seine Vorliebe für alles, was schön und teuer war, übertrafen die seines Vaters und Bruders. Die Pracht und Schönheit seiner Paläste war legendär. Nach seinen Glasfenstern war er so süchtig, dass er nirgends darauf verzichten wollte, wenn er seine weit verstreuten Besitzungen in England abklapperte, und darum ließ er seine Hallen überall im Land so umbauen, dass man die herausnehmbaren Glasfenster jeweils dort einsetzen konnte, wo er sich gerade aufhielt.
Lancaster war ein typischer Vertreter seiner Klasse und seiner Zeit: Er strebte nach den Idealen des ritterlichen Ehrenkodex, war ein Förderer der Künste, in hohem Maße arrogant gegenüber jenen, die gesellschaftlich unter ihm standen, und er hatte einen enormen Verschleiß an Frauen. Neben diversen Affären war er dreimal verheiratet. Seiner ersten Gemahlin, der besagten Blanche of
Weitere Kostenlose Bücher