Von Ratlosen und Löwenherzen
Dabei verhandelten sie über Jeans Lösegeld und eine Beendigung des Krieges, aber da der Leidensdruck wohl nicht gar zu schwer auf dem französischen König lastete, verliefen die Verhandlungen eher schleppend.
1360 einigten die beiden Könige sich schließlich auf einen Friedensvertrag, der England den Südwesten Frankreichs zubilligte und in welchem König Edward auf die französische Krone verzichtete und der das Wachs nicht wert war, mit dem er besiegelt wurde. Alle machten weiter wie bisher, englische Glücksritter scharmützelten mit französischen Truppen ergebnislos in der Normandie und bereicherten sich dabei nicht unbeträchtlich, und die Leidtragenden waren die Franzosen, auf deren Boden dieser Krieg ausgetragen wurde. Als hätten sie unter der Pest nicht genug zu leiden gehabt.
Edward bemühte sich unterdessen, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pest in England unter Kontrolle zu bringen. Die hohen Verluste unter der Landbevölkerung hatten dazu geführt, dass es auf einmal viel mehr Land gab als Bauern, um es zu bestellen. Im Handwerk sah es kaum besser aus. Mit einem Mal stiegen die Löhne, die Bauern wurden selbstbewusst und mobil und verließen ihre Heimatdörfer, um sich anderswo besseres Land zu günstigeren Pachtbedingungen zu suchen. Edward wirkte dem mit einer Reihe gesetzlicher Maßnahmen entgegen: Ein Gesetz schrieb die Löhne fest, ein anderes band die Bauern an ihre Scholle und ihren Grundherrn. Diese Gesetze waren äußerst unpopulär, aber ihrem König verziehen die Engländer alles. Es sollte seinem Nachfolger zufallen, dieses Süppchen auszulöffeln.Jean »der Gute«, wie er genannt wurde, starb 1364 in englischer Gefangenschaft. Sein Sohn Charles folgte ihm auf den französischen Thron und machte schnell klar, dass er nicht so friedfertig und leutselig wie sein alter Herr war. Der Krieg kam wieder in Schwung und verlagerte sich nun vorübergehend nach Spanien, denn der König von Kastilien, Pedro »der Grausame«, der ein Verbündeter der Engländer war, war von seinem eigenen Bruder Enrique vom Thron gestoßen worden, und dieser Enrique hielt es mit den Franzosen. Also zogen der Schwarze Prinz und sein zehn Jahre jüngerer Bruder, John of Gaunt, inzwischen Duke of Lancaster, über die Pyrenäen, schlugen die französisch-kastilische Armee am 3. April 1367 bei Najera und setzten Pedro »den Grausamen« wieder ein.
Das war für beinah 50 Jahre der letzte große Triumph der Engländer in diesem endlos erscheinenden Krieg. Denn mit einem Mal fing alles an, schiefzulaufen.
Der Schwarze Prinz wurde krank. Es ist nicht ganz sicher, woran er litt, aber wahrscheinlich war es die Wassersucht. Je kränker er wurde, desto schwächer wurde seine Position in Aquitanien, und seine Krankheit ebenso wie seine Frustration machten ihn übellaunig und despotisch. Nach und nach trieb er seine aquitanischen Adligen und Freunde in die wartenden Arme des Königs von Frankreich.
John of Gaunt, der Duke of Lancaster, versuchte, für seinen Bruder zu retten, was zu retten war, aber die Opposition in Frankreich wurde zu stark. Obendrein musste Lancaster sich nicht nur um Aquitanien, sondern auch noch um England kümmern.
1369 waren sein älterer Bruder Lionel und die Königin gestorben. Ihr Tod markiert den Beginn eines vorzeitigen und tragischen Niedergangs des Königs. Edward wurde schlagartig alt. Obwohl er seine Königin in einem fort betrogen hatte, schien er unfähig, ohne sie zu funktionieren. Er verlor zunehmend das Interesse an der Politik und seinem einst so geliebtenKrieg, überließ das Regieren Lancaster und sich selbst seiner Mätresse Alice Perrers, einer jungen Dame von höchst zweifelhaftem Ruf. Das musste fatale Folgen haben, denn König Edwards Charisma und Enthusiasmus waren im Grunde alles, was England nach der Pest noch zusammengehalten hatte.
Bis 1374 verlor Lancaster den Großteil Aquitaniens wieder, das sein Bruder doch in einer so glorreichen Siegesserie zurückerobert hatte. Der Schwarze Prinz selbst war todkrank nach England zurückgekehrt und starb im Juni 1376. Dieser Schicksalsschlag beschleunigte auch den geistigen und körperlichen Verfall des Königs, der fast auf den Tag genau ein Jahr später, am 21. Juni 1377, starb. Alice Perrers, behauptet ein Chronist, habe ihm die Ringe von den Fingern geklaut, noch ehe er den letzten Atem aushauchte, und sei damit verschwunden. Die Chronisten ließen aber auch keine Gelegenheit ungenutzt, den lasterhaften königlichen
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