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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ausbuddeln und öffentlich verbrennen.)
    Jedenfalls hatten all diese unerhörten neuen Gedanken und Wycliffs vorreformatorische Bewegung, die ein echter Breitensport werden sollte, bei vielen kleinen Geistlichen zu einem Linksruck geführt. So gab es etwa einen Priester namens John Ball, der die Bauernrevolte unterstützte und gemeinsam mit Tyler anführte und ihr ein Motto verpasste, das Weltruhm erlangen sollte: »When Adam delved and Eve span, who was then the gentleman?« – Als Adam grub und Eva spann, wer war da der Edelmann?
    Die aufständischen Bauern zogen durch Essex und Kent und vergossen viel Blut. Dann führte Tyler sie nach London, und weil einer der Stadtväter zu ihnen überlief, gelangten sie am 13. Juni 1381 kampflos in die Stadt. Die kleinen Handwerker, Tagelöhner und das Gesindel von London schlossen sich ihnen an, und es kam zu Massakern an Ausländern, Plünderungen und einem allgemeinen Chaos.
    Der Hass der Menschen richtete sich vor allem gegen Lancaster, den Lord Chancellor und den Treasurer. Die beiden Letzteren erwischten sie, als sie es schafften, in den Tower einzudringen, und sie schlugen ihnen auf dem Tower Hill die Köpfe ab. Lancaster bekamen sie nicht in die Finger, denn er hielt sich an der schottischen Grenze auf, wo er in den vergangenen Jahren häufiger zu Verhandlungen mit den Schotten gewesen war. Im Tower von London befand sich jedoch sein Sohn und Erbe, Henry Bolingbroke, der zu dem Zeitpunkt vierzehn Jahre alt war und nur deswegen mit dem Leben davonkam, weil ein Ritter sich vor ihn stellte und den Jungen in seinem Rücken versteckte, als die Rebellen den Tower stürmten.
    Frustriert, dass sie den verhassten Herzog nicht gefunden hatten, zogen die Rebellen zu Lancasters Londoner Residenz, dem Savoy Palast, und machten ihn dem Erdboden gleich.
    Und dann betritt – plötzlich und unerwartet, wie es so schön heißt – der junge König Richard die Bühne, ganze vierzehn Jahre alt, genau wie sein Cousin Henry. Gegen den Rat seiner Lords und mit erstaunlichem persönlichem Mut traf König Richard sich zweimal mit Wat Tyler, um über die Forderungen der Rebellen zu verhandeln. Das war die einzige Gelegenheit in seinem Leben, da Richard dem Beispiel seines berühmten Vaters, des Schwarzen Prinzen, gerecht wurde. Denn von dieser Episode abgesehen war Richard ein Scheusal und ein fast so jämmerlicher König wie sein Urgroßvater.
    Sein Glück war, dass sein Onkel Lancaster alle unbequemen Entscheidungen der letzten Jahre auf seine Kappe genommen, den Namen seines Neffen von jedem Makel reingehalten hatte. Die Rebellen glaubten daher, König Richard sei ein Freund der kleinen Leute. Das war ein fataler Irrtum.
    Zum Schein stimmte Richard ihren Forderungen zu. Beim zweiten Treffen kam es trotzdem zum Eklat. Wat Tyler bedrohte erst einen Ritter im Gefolge des Königs, dann den Bürgermeister von London mit seinem Dolch, woraufhin der Bürgermeister ihn mit dem Schwert niedermachte. (TylersDolch können Sie heute noch im Londoner Rathaus besichtigen.) Während der Held des Volkes sterbend im Gras lag, zog die Londoner Miliz auf, trieb die Rebellen auseinander und formierte sie zum Rückzug. Die große Bauernrevolte war genauso tot wie ihr Anführer, und London feierte König Richard als seinen Befreier.
    Wat Tylers Tod
    Der junge Heldenkönig ließ die gefangenen Rädelsführer foltern und hinrichten und schickte Truppen aus, um diejenigen aufzuspüren, die ihm entwischt und nach Hause aufs Land zurückgekehrt waren. Als bei einem Scharmützel mit einer Handvoll übrig gebliebener Rebellen deren Anführer den König an seine Versprechen erinnerte, erwiderte Richard eiskalt: »Leibeigene seid ihr, und Leibeigene sollt ihr bleiben.«
    Die unmittelbare Folge der Bauernrevolte war, dass König Richard zwei Dinge gelernt hatte, die fortan sein ganzes Handelnbestimmten: Er hatte Bekanntschaft mit der beinah mystischen Macht des Königtums gemacht, und er hatte erfahren, dass man mit Hinterhältigkeit und falschen Versprechungen weit kommen kann. Vor allem, wenn man der König von England ist.
    Er war selbstbewusst geworden, ertrug die Gängelung durch seinen Kronrat immer unwilliger und schüttelte sie ab, sobald er konnte. Stattdessen führte er ein Regime der Günstlingswirtschaft ein, das die Geschichtsbewanderten seiner Zeitgenossen in gruseliger Weise an Edward II. erinnert haben muss.
    Die übrigen Lords betrachteten das Schauspiel mit einem kollektiven Stirnrunzeln, und der Earl of

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