Von Ratlosen und Löwenherzen
Lancaster, war er allerdings sehr zugetan, heißt es. Sie bekamen einen Sohn und zwei Töchter. Als Blanche 1368 starb, war Lancasters Trauer bitter, und ein junger Hofbeamter aus London schrieb eine Totenklage für Blanche, das Book of the Duchess . Der Verfasser war Geoffrey Chaucer, der größte Dichter des englischen Mittelalters.
Lancasters zweite Frau war Constancia von Kastilien (Tochter und Erbin des grausamen Königs Pedro), die er heiratete, weil er gerne König von Kastilien werden wollte. (Daraus wurde nichts, aber ihre gemeinsame Tochter wurde Königin von Kastilien.)
Nachdem auch Constancia 1394 gestorben war, schockierte Lancaster die Welt, indem er seine langjährige Geliebte Katherine Swynford ehelichte, mit der er schon vier Kinder hatte. Nach der Heirat der Eltern wurden diese Kinder vom Papst legitimiert und bekamen den Namen Beaufort, der noch eine ziemlich wichtige Rolle spielen wird.
Dieser Duke of Lancaster war es also, der während der Minderjährigkeit seines königlichen Neffen die Geschicke Englands lenkte und sich der Herkulesaufgabe stellte, den festgefahrenen Krieg fortzuführen und nach Möglichkeit zu gewinnen und die Folgen der Pest und der Schuldenpolitik seines Vaters in England zu bewältigen.
Er machte einen hervorragenden Job, aber die Sache war einfach völlig aussichtslos.
Um auch nur das klägliche Restchen von Aquitanien und Calais halten zu können, waren immer neue Steuern vonnöten, und die einfachen Menschen in England hassten Lancaster dafür.Vor allem die Londoner. 1381 setzte Lancaster im Parlament eine allgemeine Kopfsteuer durch, und da knallte es.
Was soll das heißen, Kopfsteuer?, fragten die Engländer, denn so etwas gab es bislang noch nicht.
Kopfsteuer heißt, jeder Mann und jede Frau über vierzehn in England, bekamen sie zur Antwort. Die Höhe der individuellen Steuerschuld sollte nach der Höhe des Einkommens gestaffelt werden – was immerhin ein Mindestmaß an Gerechtigkeit bedeutete –, aber dank der restriktiven Gesetze König Edwards waren die Bauern und kleinen Handwerker arm. Sie konnten diese Steuer nicht bezahlen, und so brach sich Bahn, was schon lange gegärt hatte: der Volkszorn.
Die Revolte begann in Essex, wo, so erzählt eine Ballade, die königlichen Steuereintreiber (die in den Augen der kleinen Leute Lancasters Steuereintreiber waren) in ein Dorf kamen und nicht nur die verhasste Kopfsteuer kassierten, sondern nebenbei auch noch die Tochter eines Dachdeckers namens Wat Tyler vergewaltigen wollten. Tyler – ein Kriegsveteran – erschlug einen der königlichen Beamten, floh und wurde zum Anführer der aufständischen Bauern, die sich überall in Kent und Essex zusammenrotteten.
Die Bauern verlangten die Abschaffung der Leibeigenschaft, des Frondienstes und der Gerichtsgewalt der Lords, und sie hatten vollkommen Recht mit ihren Forderungen, denn die alten Gesetze und Bräuche waren überholt und ungerecht. Diese Meinung hegten nicht nur die kleinen Leute. Es gab auch eine intellektuelle Bewegung, die althergebrachte Autoritäten in Frage stellte.
Das 14. Jahrhundert war eine sehr dynamische Zeit in England. Künste und Wissenschaften nahmen rasante Entwicklungen, und es war erlaubt, die unerhörtesten Dinge zu denken und zu schreiben. Dass Juden und Muslime genauso gute Menschen seien wie Christen, zum Beispiel, schrieb einer und stellte damit die ganze Kreuzzugsidee grundsätzlich in Frage.Dass ein Mann seine Frau und Kinder lieben sollte, statt sie zu verprügeln, schrieb ein anderer. Lauter neumodisches Zeug eben. Und dann gab es einen Professor in Oxford, Dr. John Wycliff, der kaum ein gutes Haar an der Heiligen Mutter Kirche ließ. Er schrieb, der Papst sei korrupt und geldgierig. Und man müsse überhaupt nicht vor einem Priester beichten, um Vergebung für seine Sünden zu finden. Vor allem behauptete Wycliff, dass Brot und Wein bei der Wandlung nicht zu Leib und Blut Jesu Christi wurden. Er sägte so ziemlich jeden Grundpfeiler der Kirche an mit dem, was er dachte und predigte.
Die englische Bischofssynode lud ihn in London zu einer kritischen Anhörung und entzog ihm die Lehrerlaubnis, aber sonst passierte ihm nichts. (Dr. Wycliff ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass das 14. wesentlich liberaler war als das 15. Jahrhundert. Auf dem Konzil in Konstanz 1415 wurde Wycliff nämlich als Ketzer verurteilt. Da war er zwar schon längst tot, aber das machte nichts. Die Glaubenshüter des Konzils ließen seine Gebeine
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