Von Ratlosen und Löwenherzen
er gewesen sein muss. Er hatte sein ehrgeiziges Ziel erreicht.
Was allerdings die französische Prinzessin bei alldem empfand, die mit dem Feind verheiratet worden war, ist nicht überliefert. Die Chronisten schwärmen von ihrer Schönheit, und sie absolvierte ihre öffentlichen Auftritte mit großer Würde. Vielleicht verabscheute sie ihren hinterhältigen Bruder so sehr, dass sie ihr Heimatland lieber in den Händen des englischen Königs sah. Vielleicht fügte sie sich auch einfach nur klaglos in ihre Ehe, weil es eben normal für eine Prinzessin war, aus politischen Erwägungen mit dem ehemaligen Feind verheiratet zu werden. Wir können nur spekulieren. Genau wie über die Frage, was sich wohl abspielte, wenn die beiden allein waren, denn Katherine konnte kein Englisch und Henry kein Französisch.
Im Februar 1421 brachte er seine Königin nach England, um sie krönen zu lassen, und machte anschließend mit ihr eine Rundreise, um ihr England und England seine neue Königin zu zeigen. In Beverley in Yorkshire erreichte ihn im März die Schreckensnachricht, dass es unweit der Loire bei Baugé ein Scharmützel mit den Dauphinisten gegeben hatte und sein Bruder, Thomas Duke of Clarence, gefallen war. Das war ein schwerer Schock für den erfolgsverwöhnten König und ein persönlicher Verlust, denn er und seine Brüder standen sich nahe. Henry kam zu dem Schluss, dass der Krieg gegen den Dauphin nur zu gewinnen war, wenn er sich persönlich darum kümmerte. Also kehrte er im Juni 1421 nach Frankreich zurück.
Er sollte England nicht wiedersehen.Während Henry das stark befestigte Meaux belagerte und einen zermürbenden Winter im Feld verbrachte, gebar die Königin am Nikolaustag in Windsor einen Sohn, der – Sie dürfen dreimal raten – auf den Namen Henry getauft wurde. Sein Großonkel Henry Beaufort, der Bischof von Winchester, war einer seiner Paten.
Meaux fiel Anfang Mai, und viele glaubten, dies sei der Durchbruch. Aber schon im Winter war König Henry krank geworden. Vermutlich hatte er sich mit der Ruhr infiziert und sich keine Ruhe gegönnt, um sich gründlich auszukurieren. Über den Sommer wurde er jedenfalls immer kränker. Und auf dem Ritt nach Cosne Ende Juli fiel er bewusstlos vom Pferd. In einer Sänfte brachten seine Lords ihn nach Vincennes, wo er am 31. August 1422 mit fünfunddreißig Jahren starb, ohne seinen Sohn ein einziges Mal gesehen zu haben.
»Er war zu ruhmreich, um lange zu leben«, soll sein Bruder, John Duke of Bedford, am Totenbett gesagt haben.
England trauerte um seinen Heldenkönig, aber das war nicht der einzige Grund zum Wehklagen. Das Land befand sich im Krieg, steckte wie üblich in bösen finanziellen Schwierigkeiten, und der Prince of Wales war ganze neun Monate alt.
Zweimal war es seit der normannischen Eroberung bislang passiert, dass ein Kind auf den Thron gekommen war. Beide Male war es halbwegs gelungen, die Stabilität mit einem handlungsfähigen Kronrat zu wahren, aber Henry III. war neun Jahre alt gewesen, Richard II. elf. Ein König in Windeln war eine Katastrophe. Zumal sechs Wochen nach Henry auch der umnachtete Charles von Frankreich starb, sodass nun zwei Kronen auf den winzigen Säuglingskopf warteten.
König Henry hatte mindestens einen Monat lang gewusst, dass er sterben würde. Reichlich Zeit also, um seine Angelegenheiten zu regeln. Und das hatte er nach bestem Wissen und Gewissen getan: Seinem Onkel, Bischof Beaufort, und seinemvertrauten Freund, dem Earl of Warwick, übertrug er die Vormundschaft für seinen Sohn. Seinen Bruder John of Bedford setzte er bis zur Mündigkeit des kleinen Königs als Regenten in Frankreich ein und drückte ihm aufs Auge, den zähen Krieg gegen den Dauphin weiterzuführen. Seinem letzten verbliebenen Bruder, Humphrey Duke of Gloucester, übertrug er die Regentschaft über England, das Gloucester als Lord Protector stellvertretend für seinen Neffen und in Abstimmung mit dem Kronrat verwalten sollte.
Henry VI. betet um den dringend benötigten göttlichen Beistand
Das war alles gut gemeint, aber es funktionierte vorne und hinten nicht. John of Bedford machte seine Sache in Frankreich hervorragend, hielt das Bündnis mit dem Herzog von Burgund (dessen Schwester er geheiratet hatte) und nahm dem französischenAdel den Lehnseid ab, aber realistisch betrachtet hatte er keine echte Chance, die Macht des Dauphin südlich der Loire zu brechen. Das war wohl nie viel mehr als ein schöner Traum gewesen, aber solange König Henry
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