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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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noch lebte – der bei Agincourt bewiesen hatte, dass er Träume wahr machen konnte –, hatte das niemanden sonderlich besorgt. Jetzt gab es ein böses Erwachen.
    Aber die eigentlichen Probleme lagen in England. Humphrey of Gloucester war ein eitler, machtgieriger und verantwortungsloser Lump, der von Anfang an versuchte, den Kronrat auszubooten und allein zu regieren. Sein Onkel, Bischof Beaufort, der ihn aus tiefster Seele verabscheute, wusste das zu verhindern, aber bald drohte England im Streit zwischen Herzog und Bischof ins Chaos zu sinken.
    Um Gloucesters Protektorat schnellstmöglich ein Ende zu machen, wurde der kleine König am 5. November 1429 zu Henry VI. von England gekrönt. Obwohl er noch nicht einmal acht Jahre alt war, ahnte er wohl, was ihm blühte, denn er schaute sich »kummervoll und wehmütig um«, erzählt ein Chronist, während sein Großonkel Beaufort, der inzwischen Kardinal geworden war, ihm die viel zu große Krone aufs Haupt setzte.
    Durch die Krönung hatte Gloucester einen Teil seiner Macht eingebüßt – was ja der eigentliche Zweck der Zeremonie gewesen war –, aber trotzdem ging das Gerangel weiter: auf der einen Seite Kardinal Beaufort, der vor allem von seinen Neffen John und Edmund Beaufort – den Söhnen seines verstorbenen älteren Bruders – und von William de la Pole, dem Duke of Suffolk und jüngeren Bruder des bei Agincourt gefallenen Michael de la Pole, unterstützt wurde. Auf Gloucesters Seite stellte sich hingegen ein sehr mächtiger, reicher und – wie sich herausstellen sollte – gefährlicher junger Mann: Richard Duke of York.
    Tut mir leid, jetzt wird’s mal kurz ein bisschen kompliziert, aber das ist wichtig: Richard of York war der Sohn des VerrätersCambridge und dessen Frau Anne Mortimer, der Schwester des Earl of March. (Sie wissen schon: der junge Mann, der den besseren Thronanspruch hatte und deswegen so lange weggesperrt war und König Henry nicht verraten wollte.) Der war kinderlos gestorben. Genau wie Cambridges Bruder, der Duke of York, der ja bei Agincourt in seiner Rüstung erstickt war. Deswegen gingen sowohl der Titel und die beträchtliche Macht des Duke of York als auch der Thronanspruch des Earl of March auf diesen jungen Richard of York über. Und darum werden wir von ihm, vor allem von seinen Söhnen, noch allerhand hören. Nur noch 26 Jahre trennen uns nämlich vom Ausbruch der Rosenkriege um den englischen Thron, die das letzte fulminante Kapitel in unserer Geschichte darstellen. Und die Seil- und Feindschaften, die sich im Konflikt zwischen Kardinal Beaufort und Humphrey of Gloucester bildeten, sollten England während der Rosenkriege so richtig um die Ohren fliegen.
    Aber genug der Spoiler und zurück ins Jahr 1429.
    Während der kleine König unter der Last seiner Krone fast zusammenbrach und seine Onkel um die Macht rauften, hatte seine Mutter, die französische Prinzessin Katherine, sich in aller Stille einen Liebhaber genommen und ihn heimlich geheiratet. Es handelte sich um einen walisischen Edelmann namens Owain ap Meredydd, der zum Glück aufgrund eines Schreibfehlers in einer Urkunde als Owen Tudor in die Geschichte einging, sodass auch Nicht-Waliser eine Chance haben, sich den Namen zu merken. Dieser Owen Tudor hatte wahrscheinlich in König Henrys Gefolge bei Agincourt gekämpft und war nach Henrys und Katherines Hochzeit in den Haushalt der Königin versetzt worden. Allerlei romantische Gerüchte ranken sich um die verwitwete Königin und ihren walisischen Kavalier. Mal heißt es, er sei beim Tanz gestolpert und ihr in den Schoß gefallen, und da hätt’s gefunkt. An anderer Stelle wird beschrieben, wie der stattlich gebaute Owen Tudor ein Bad in der Themse nahm, die Königin ihn dabei heimlich beobachtete und unwiderstehlich fand, was sie sah.
    Wie es auch immer passiert sein mag, es war gefährlich: Wenn eine Königinwitwe wieder heiratete, war das eine politische Angelegenheit. Darum hatte der Kronrat es vorsichtshalber verboten. Und ganz sicher hätte er niemals in Katherines Ehe mit einem walisischen Niemand eingewilligt.
    Also zog die Königin sich vom Hof zurück, damit sie und Tudor nicht aufflogen, und der kleine König stand ohne mütterlichen Zuspruch ganz allein zwischen seinen zankenden Onkeln.
    Aber es sollte noch schlimmer kommen. Etwa um diese Zeit passierte nämlich auf den französischen Schlachtfeldern etwas höchst Sonderbares: Ein siebzehnjähriges Bauernmädchen namens Jeanne d’Arc aus Domrémy in

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