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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Untertanen (nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal), indem er seinen Lebenswandel vollkommen änderte. Er wurde ernst und fleißig und angeblich sogar enthaltsam, um sich für die französische Prinzessin aufzusparen, die er zweifellos bald heiraten würde.
    Er ernannte seinen Onkel, Bischof Beaufort von Winchester, wieder zum Lord Chancellor und pumpte ihn an, weil der Bischof der reichste Mann in England war und König Henry Geld für sein ehrgeiziges Projekt brauchte: Er wollte den Krieggegen Frankreich wieder beleben und vor allem gewinnen. Er wollte die französische Krone.
    Bevor er allerdings aufbrechen konnte, um sie sich zu holen, galt es erst einmal, der Welt zu beweisen, dass er die englische Krone zu Recht trug. Dass er selbst zutiefst von der Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft überzeugt war und deswegen keine Konkurrenz fürchtete, weder tote noch lebendige. Also schockierte er seine Brüder und seinen Kronrat, indem er den ermordeten König Richard aus dem verschwiegenen Grab holen ließ, wo er in King’s Langley verscharrt worden war, und mit allem angemessenen Prunk und Pomp in Westminster Abbey beisetzen ließ.
    Dann holte er seinen Cousin, den Earl of March, der ja streng genommen einen besseren Thronanspruch hatte als er, aus der irischen Festung und hieß ihn an seinem Hof willkommen. Vielleicht war das das Geheimnis seines Erfolgs: König Henry hatte ein sonniges Gemüt und ein großes Herz, genau wie sein Urgroßvater Edward III. Gegen seinen Charme und seine Ausstrahlung war kaum jemand gefeit, und der Earl of March, dankbar für seine Freilassung und überwältigt von dem herzlichen Willkommen, war vollauf zufrieden damit, sich Henrys Herrschaftsanspruch zu unterwerfen.
    Aber nicht alle in England dachten so wie er.
    Während Henry immer schärfere Botschaften mit dem König von Frankreich und vor allem dessen Sohn, dem Dauphin , austauschte, um eine Rechtfertigung für den Feldzug zu schaffen, den er um jeden Preis führen wollte, fiel ihm ein alter Freund in den Rücken: Sir John Oldcastle war ein Lollarde. (Übrigens weiß niemand so recht, woher das Wort »Lollard« kommt. Möglicherweise stammt es aus dem Niederländischen und bezeichnet jemanden, der murmelt oder nuschelt. Der Zusammenhang zu einer vorreformatorischen Bewegung erschließt sich allerdings nur mit sehr viel Fantasie.) Obwohl der junge König entschlossen und ziemlich unbarmherzig gegen diese »Ketzer« vorging, hatte er Oldcastles Gesinnung immertoleriert, weil der zu seinen ältesten Kumpeln zählte und bei so ziemlich jedem seiner Streifzüge durchs Londoner Nachtleben dabei gewesen war. Aber Anfang 1414 zettelte Oldcastle einen Aufstand der Lollarden an. Während der Weihnachtsfeierlichkeiten am Hof in Eltham sollten der König und seine Brüder gefangen genommen und ermordet werden, gleichzeitig sollten sich bis zu 20 000 Lollarden außerhalb Londons sammeln, um das Land im Handstreich zu nehmen. Aber der Plan wurde aufgedeckt und vereitelt. Die Lollardenarmee löste sich schleunigst wieder auf, ein paar Rädelsführer wurden aufgehängt. Oldcastle floh und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Drei Jahre später wurde er gefasst und aufgehängt, und unter dem Galgen wurde ein Scheiterhaufen entzündet, sodass er verbrannte, während er erstickte.
    König Henry betrachtete die glückliche Aufdeckung der Lollardenrevolte als göttliche Genehmigung für seinen Frankreichfeldzug, den er nun mit Hochdruck vorbereitete. Im ganzen Land wurden Truppen ausgehoben. Schiffe wurden gebaut, Zimmerleute und Bogenbauer in Scharen angeheuert. Im Juli 1415 war es endlich so weit. Das königliche Heer sammelte sich in Southampton, um den Kanal zu überqueren und den inzwischen fast achtzig Jahre alten Krieg endlich zu gewinnen.
    Aber schon wieder drohte Henry Verrat in den eigenen Reihen: Sein Cousin, der Earl of Cambridge, sein vertrauter Freund Henry Scrope of Masham und Thomas Grey, ein Ritter aus dem Norden, der vermutlich im Auftrag der ewig abtrünnigen Percys handelte, schmiedeten ein Komplott, um Henry und seine Brüder noch vor der Überquerung des Kanals umzubringen und stattdessen den Earl of March auf den Thron zu setzen, mit dessen Schwester der Earl of Cambridge verheiratet war. Vieles spricht dafür, dass die Verschwörer sich ihren Plan vom König von Frankreich finanziell hatten versüßen lassen.
    Doch auch sie scheiterten, genau wie Oldcastle, denn der junge Earl of March wollte nicht König werden.

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