von Schirach, Ferdinand
Nationalfeiertag und
versuchte erfolglos, die Sprache zu lernen. Außerdem hatte er immer wieder
Ausfälle, und vielleicht war deshalb sein Plan auch kein wirklich vollständiger
Plan.
Aber Samir fand, dass es
immerhin so eine Art Plan war: Manólis' Schwester hatte eine Freundin, die als
Putzfrau in einer Villa in Dahlem arbeitete. Sie brauchte dringend Geld, also
hatte sie Manólis gegen eine kleine Beteiligung vorgeschlagen, in das Haus
einzubrechen. Sie kannte den Code der Alarmanlage und den des elektronischen
Schlosses, sie wusste den Ort des Tresors und vor allem, dass der Besitzer bald
für vier Tage außerhalb Berlins sein würde. Samir und Özcan waren sofort einverstanden.
In der Nacht vor der Tat
schlief Samir schlecht, er träumte von Manólis und von Finnland. Als er
erwachte, war es zwei Uhr mittags. Er sagte »Scheiß Richter« und scheuchte
seine Freundin aus dem Bett. Um vier Uhr musste er beim Antigewaltseminar sein.
Gegen zwei Uhr nachts holte Özcan
die anderen ab. Manólis war eingeschlafen, Samir und Özcan mussten zwanzig Minuten
vor der Tür warten. Es war kalt, die Scheiben beschlugen, sie verfuhren sich
und schrien sich gegenseitig an. Kurz vor drei Uhr trafen sie in Dahlem ein. Im
Auto zogen sie die schwarzen Wollmasken an, sie waren zu groß, verrutschten und
kratzten, sie schwitzten darunter. Özcan hatte ein Wollknäuel im Mund, er
spuckte es auf das Armaturenbrett. Sie streiften sich Plastikhandschuhe über
und liefen über den Kiesweg zum Eingang der Villa.
Manólis tippte den Code in die
Tastatur des Schlosses. Die Tür öffnete sich mit einem Klicken. Im Eingang
befand sich die Alarmanlage. Nachdem Manólis auch dort eine Zahlenkombination
eingegeben hatte, wechselten die Lämpchen ihre Farbe von Rot auf Grün. Özcan
musste lachen. »Ozeans Eleven«, sagte er laut, er liebte Kinofilme. Die Anspannung löste sich.
So leicht war es noch nie gewesen. Die Eingangstür fiel ins Schloss, sie
standen im Dunkeln.
Sie fanden den Lichtschalter
nicht. Samir fiel über eine Stufe und schlug sich die linke Augenbraue an einem
Garderobenständer auf. Özcan stolperte über Samirs Füße und stützte sich im
Fallen auf seinen Rücken. Samir ächzte unter seinem Gewicht. Manólis stand noch,
er hatte die Taschenlampen vergessen.
Ihre Augen gewöhnten sich an
die Dunkelheit. Samir wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Endlich fand Manólis
den Lichtschalter. Das Haus war japanisch eingerichtet - Samir und Özcan waren
davon überzeugt, dass niemand so wohnen könne. Sie brauchten nur ein paar
Minuten, um den Tresor zu finden, die Beschreibung war gut. Sie hebelten ihn
mit Brechstangen aus der Wand und schleppten ihn zum Auto. Manólis wollte
nochmals zurück ins Haus, er hatte die Küche entdeckt, und er hatte Hunger. Sie
diskutierten das lange, bis Samir entschied, es sei zu gefährlich, man könne
auch unterwegs an einer Imbissbude halten. Manólis murrte.
In einem Keller in Neukölln
versuchten sie, den Tresor zu öffnen. Sie hatten Erfahrung mit Panzerschränken,
aber dieser widerstand. Özcan musste den Hochleistungsbohrer seines Schwagers
ausleihen. Als der Tresor vier Stunden später offen war, wussten sie, dass es
sich gelohnt hatte. Sie fanden 120.000 Euro in bar und in einer Schatulle sechs Uhren. Und
dann war da noch eine kleine schwarz lackierte Holzkiste. Samir öffnete sie.
Sie war mit roter Seide ausgeschlagen, in ihr befand sich eine alte Schale. Özcan
fand sie hässlich und wollte sie wegschmeißen, Samir wollte sie seiner
Schwester schenken, und Manólis war alles gleichgültig, er hatte immer noch
Hunger. Schließlich einigten sie sich darauf, die Schale Mike zu verkaufen.
Mike hatte ein kleines Geschäft mit einem großen Schild, er nannte sich
Antiquitätenhändler, aber er besaß eigentlich nur einen Mini-LKW und
beschäftigte sich mit Wohnungsauflösungen und Gerumpel. Er bezahlte ihnen 30 Euro für die Schale.
Als sie den Keller verließen,
klopfte Samir Özcan auf die Schulter, wiederholte: »Ozeans Eleven«, und alle lachten. Manólis'
Schwester würde für ihre Freundin 3.000 Euro bekommen. Jeder von ihnen hatte fast 40.000 Euro in der Tasehe, Samir
würde die Uhren an einen Hehler verkaufen. Es war ein einfacher und guter
Einbruch gewesen, es würde keine Probleme geben.
Sie täuschten sich.
Hiroshi Tanata stand in seinem
Schlafzimmer und betrachtete das Loch in der Wand. Er war 76 Jahre alt, seine Familie hatte
Japan seit vielen
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