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Von Traeumen entfuehrt (eShort)

Von Traeumen entfuehrt (eShort)

Titel: Von Traeumen entfuehrt (eShort) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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verschlingen. Ihren beerenroten Mund umspielt ein unbefangenes Lächeln.
    »Na super«, stöhne ich und drehe mich wieder um. Nun beugt Ambrose sich vor, um herauszufinden, wen wir da betrachten und setzt an mit: »Ist das nicht …«
    »Ja, das ist sie«, sagt Vincent. »Und sie ist definitiv nicht mehr so traurig.«
    »Schön, schön«, sagt Ambrose und verschränkt die Arme vor der breiten Brust. »Wieso gehst du nicht zu ihr und sprichst sie an?«
    »Und was soll ich bitte schön sagen?«, höhnt Vincent.
    »Sie scheint ja ganz gern zu lesen. Erzähl ihr doch, dass du in ‘nem Buchzirkel bist und lad sie ein.«
    »Ein Buchzirkel mit einem Mitglied. Super Idee, Ambrose. Das wird sie mir ganz sicher abkaufen«, erwidert Vincent trocken.
    »Jules und ich können ja mitkommen und so tun, als würden wir auch lesen«, sagt Ambrose mit einem Hauch Ironie.
    »Ich muss nicht nur so tun, als würde ich lesen«, werfe ich ein.
    »Filme übertrumpfen Bücher sowieso locker«, kontert Ambrose und lehnt sich zurück.
    »Die Diskussion führe ich nicht schon wieder mit dir«, sage ich. Ein Blick zu Vincent verrät mir, dass er überhaupt nicht zuhört. Er ist völlig in den Anblick des Mädchens vertieft. Und Ambrose besitzt auch noch die Frechheit, sich über die Situation zu amüsieren.
    Da das traurige Mädchen von nun an regelmäßig in diesem Café einkehrt und dann immer an dem Tisch in der hintersten Ecke der Terrasse sitzt, wird auch unser sonst eher flüchtiger und seltener Besuch dort zu einem täglichen Ritual. Manchmal kommt Vincent sogar zweimal am Tag her, wie ich von Charlotte und Charles erfahre. Gerade allerdings mache ich mir um etwas viel Bedeutenderes Sorgen, als um Vincent und seine Obsession. Lucien, seines Zeichens Anführer der Numa, und seine Leute lösen an jeder Ecke Paris‘ eine Minikatastrophe nach der anderen aus. In den vergangenen Monaten sind die Numa immer aktiver geworden, Jean-Baptiste und Vincent fragen sich, was deren Boss Lucien eigentlich vorhat.
    Vor ein paar Wochen haben wir eine Selbstmörderin vor ihm gerettet. Sie war vierzehn und schwanger und Lucien hatte sie davon überzeugt, dass ihr Leben nicht mehr lebenswert war. Wie üblich waren sie ihr gefolgt, um zuzuschauen, wie sie ihr Versprechen umsetzte und dann darin zu schwelgen, wieder einen Menschen erfolgreich um sein Leben gebracht zu haben.
    Ich war volant und mit Charlotte und Charles unterwegs gewesen, als ich vorhersah, was geschehen würde. Ich holte Verstärkung und kaum war ich mit Ambrose und Vincent zurückgekehrt, hatten Charlotte und Charles den Kampf mit zwei von Luciens Handlangern aufgenommen. Vincent erreichte das Mädchen nicht mehr rechtzeitig, um sie zu berühren und sie dadurch zu beruhigen, sprang ihr aber nach in den Fluss und rettete sie. Charlotte und Charles töteten zwei Numa unter der Brücke, Lucien und ein weiterer Numa konnten jedoch entkommen, weil Ambrose damit beschäftigt war, ein paar neugierige Passanten abzuwimmeln.
    Seit diesem Zwischenfall hält sich Lucien im Hintergrund. In den letzten Wochen hat keiner von uns ihn oder einen seiner Handlanger zu Gesicht bekommen. Und obwohl ich nichts lieber täte, als mich zum Malen in mein Atelier zurückzuziehen, verbringe ich meine Freizeit damit, Charles im Auge zu behalten. Der hat mal wieder eine seiner existenziellen Krisen: Warum gibt es uns? Warum durfte er nicht einfach sterben und tot bleiben? Warum muss er dieses Schicksal durchstehen, das er nicht selbst gewählt hat? Das traurige Mädchen ist also völlig von meinem Radar verschwunden.
    Deshalb trifft es mich ein wenig unerwartet, als wir eines Morgens an dem Café vorbeikommen und sie am üblichen Tisch erblicken. »Also, ich könnte ein bisschen Koffein vertragen, und du?«, fragt Vincent, seine Augen kleben förmlich an ihrem Gesicht.
    Ihm zu widersprechen, wäre sowieso völlig sinnlos, also trabe ich hinter ihm auf die Terrasse, wo er einen Tisch wählt, den sie passieren muss, wenn sie das Café verlässt. Die folgende halbe Stunde verbringe ich damit, Vincent allerhand zu erzählen, obwohl er allem Anschein nach sowieso nicht zuhört. Also versuche ich es mit einer Geschichte, die er sicher noch nicht kennt.
    Es muss so 1910 gewesen sein, als Juan Gris und ich das Bateau-Lavoir verließen, dieses alte, hässliche Holzhaus, in dem wir damals alle gewohnt und gearbeitet haben. Allem Anschein nach war es im Haus sogar noch kälter als draußen. Wir waren so dermaßen durchgefroren,

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