Von wegen Liebe (German Edition)
da.«
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Jede Stadt hat dieses eine Haus. Ein Haus, das so unfassbar toll ist, dass es einfach nicht passt. Das so prachtvoll ist, dass dich das Gefühl beschleicht, die Besitzer wollten dir ihren Reichtum mit dem Baseballschläger ins Bewusstsein prügeln. Jede Stadt auf der Welt hat so ein Haus und in Hamilton gehörte es der Familie Rush.
Ich weiß nicht, ob die korrekte Bezeichnung möglicherweise eher Villa gewesen wäre, aber das Haus war vier Stockwerke hoch und hatte an jedem dieser Stockwerke Balkone. Jedes Mal, wenn ich daran vorbeigefahren war, hatte ich es mit offenem Mund angestarrt, aber ich hätte nie gedacht, dass ich es eines Tages auch von innen sehen würde. Bei jeder anderen Gelegenheit wäre ich bestimmt ein bisschen aufgeregt gewesen (was ich natürlich nie zugegeben hätte), aber heute war ich so mit den Scheidungspapieren auf unserem Küchentisch beschäftigt, dass ich mich einfach nur elend fühlte.
Wesley empfing mich an der Haustür, sein nervtötend selbstbewusstes Grinsen im Gesicht. Er lehnte am Türrahmen, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und trug ein dunkelblaues Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren. Und natürlich standen die ersten drei Knöpfe offen. »Hallo, Duffy.«
Wusste er, wie sehr mich dieser Name fertigmachte? Ich warf einen Blick zur Einfahrt zurück, in der bloß mein Saturn und sein Porsche standen. »Wo sind deine Eltern?«, fragte ich.
»Nicht da.« Er zwinkerte mir zu. »Wie es aussieht, sind wir ganz allein.«
Ich schnitt eine Grimasse und schob mich an ihm vorbei in die riesige Diele. Nachdem ich meine Schuhe ordentlich neben dem Eingang abgestellt hatte, drehte ich mich zu Wesley um, der mich mit rätselhaftem Gesichtsausdruck musterte. »Okay«, seufzte ich. »Lass es uns hinter uns bringen.«
»Soll ich dich nicht erst im Haus herumführen?«
»Nein danke.«
Wesley zuckte die Achseln. »Dein Pech. Komm mit.« Er ging in ein gigantisches Wohnzimmer voran, das wahrscheinlich so groß war wie die Cafeteria der Hamilton High. Die hohe Decke wurde von zwei massiven Säulen gestützt, im Raum waren großzügig edle cremefarbene Designermöbel gruppiert. Dazu ein Riesenflachbildschirm an der einen und ein Riesenkamin an der gegenüberliegenden Wand. Durch die bodentiefen Fenster flutete Januarsonne und überzog alles mit einem warmen goldenen Schimmer. Aber plötzlich drehte Wesley um und begann die Treppe hochzugehen, fort von dem behaglichen Raum.
»Wo gehst du hin?«, fragte ich.
Er warf mir einen Blick über die Schulter zu und seufzte gespielt verzweifelt. »In mein Zimmer natürlich.«
»Können wir den Aufsatz nicht hier unten schreiben?«
Wesleys Mundwinkel zuckten kaum merklich nach oben, als er sich mit einer Hand lässig am Treppengeländer abstützte. »Könnten wir, Duffy, aber das Ganze geht deutlich schneller, wenn ich den Text direkt in den Rechner eingebe, und der steht oben. Du hast doch selbst gesagt, dass du es hinter dich bringen willst.«
Ich stöhnte und stapfte die Treppe hoch. »Meinetwegen.«
Wesleys Zimmer befand sich im obersten Stock – eines der Zimmer mit Balkon – und war größer als unser Wohnzimmer. Sein Kingsizebett war noch ungemacht, und auf dem Boden neben seiner PlayStation 3, die an einen riesigen – alles in diesem Haus war riesig – Flachbildfernseher angeschlossen war, lagen die Hüllen diverser Videospiele. In dem Zimmer roch es überraschend gut. Es war eine Mischung aus Wesleys Burberry-Rasierwasser und frisch gewaschener Kleidung, als hätte er gerade einen Korb Wäsche weggeräumt. In dem Bücherregal, auf das er jetzt zuging, standen die unterschiedlichsten Bücher – von James Patterson bis Henry Fielding.
Ich musste mich zwingen, den Blick von seiner perfekt sitzenden Diesel-Jeans abzuwenden, als er sich zu einem der unteren Regalfächer beugte und eine Ausgabe von Der scharlachrote Buchstabe herauszog. Er ließ sich damit auf sein Bett fallen und klopfte neben sich. »Okay«, murmelte er und blätterte durch das Buch, während ich mich zögernd neben ihn setzte. »Worüber sollen wir den Aufsatz schreiben? Hast du irgendeine Idee?«
»Ich weiß nicht, viell…«
»Ich dachte, wir könnten eine Analyse von Hester machen«, unterbrach er mich. »Klingt abgedroschen, aber ich spreche von einer wirklich ausführlichen, tief gehenden Charakterstudie. Warum hat sie sich auf die Affäre eingelassen? Warum hat sie mit Dimmesdale geschlafen? Hat sie ihn geliebt
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