Von wegen Liebe (German Edition)
Druck, cool sein zu müssen – es achtet sowieso niemand auf einen.
Drittens: Man läuft keinerlei Gefahr, Liebeskummer zu bekommen.
Auf Drittens war ich gekommen, während wir Abbitte in Jess’ Zimmer geschaut hatten. Darin muss die arme Keira Knightley wegen der tragischen Liebe zwischen ihr und James McAvoy durch die Hölle gehen – aber wenn sie unattraktiv gewesen wäre, wäre sie ihm noch nicht einmal aufgefallen, und ihr Herz wäre nicht gebrochen worden. Schließlich weiß jeder, dass dieser Spruch von wegen »Es ist besser, geliebt und verloren zu haben, als niemals geliebt zu haben« totaler Schwachsinn ist.
Die Theorie ließ sich auf eine Menge Filme anwenden. Wäre Kate Winslet eine DUFF gewesen, hätte Leonardo DiCaprio sie auf der Titanic keines Blickes gewürdigt, was uns wiederum eine Menge Tränen erspart hätte. Wäre Nicole Kidman in Unterwegs nach Cold Mountain hässlich gewesen, hätte sie keine Angst um Jude Law haben müssen, als er in den Krieg zog. Und so weiter und so fort – die Liste ließ sich unendlich fortsetzen.
Ständig musste ich mit ansehen, wie meine Freundinnen sich wegen Jungs das Leben schwer machten. Meistens endete die Sache damit, dass sie sich die Augen aus dem Kopf heulten (Jess) oder Tobsuchtsanfälle bekamen (Casey). Mir war nur einmal das Herz gebrochen worden und das war schon einmal zu viel gewesen. Während ich also mit meinen Freundinnen Abbitte schaute, wurde mir plötzlich klar, wie dankbar ich eigentlich dafür sein sollte, eine DUFF zu sein. Ganz schön krass, oder?
Ernste familiäre Probleme ersparte mir das allerdings leider nicht.
Als ich gegen halb zwei am nächsten Nachmittag nach Hause kam, konnte ich kaum die Augen offen halten, weil wir die Nacht durchgemacht hatten. Der Anblick unseres komplett verwüsteten Wohnzimmers ließ mich jedoch auf der Stelle hellwach werden. Überall auf dem Boden glitzerten Glasscherben, der Couchtisch war umgestoßen, als hätte jemand dagegengetreten, und – ich brauchte eine Minute, um es überhaupt zu kapieren – im ganzen Zimmer lagen leere Bierflaschen herum. Einen Augenblick lang stand ich fassungslos in der Tür und dachte entsetzt, dass bei uns eingebrochen worden wäre. Dann hörte ich Dads Schnarchen aus dem Schlafzimmer meiner Eltern am Ende des Flurs und wusste, dass die Wahrheit noch viel schlimmer war.
Wie schon gesagt, waren wir Pipers keine besonders ordentliche Familie, es war also vollkommen normal, mit Straßenschuhen über den Teppich zu latschen. Und heute war es sogar notwendig. Die Scherben mehrerer zerbrochener Bilderrahmen knirschten unter meinen Sohlen, als ich in die Küche ging, um einen Müllbeutel zu holen.
Ich war innerlich wie betäubt. Ich wusste, ich hätte eigentlich komplett durchdrehen müssen. Dad war fast achtzehn Jahre lang trocken gewesen, und die Bierflaschen machten ziemlich deutlich, dass seine Abstinenz ernsthaft bedroht war. Aber ich fühlte gar nichts. Vielleicht weil ich nicht wusste, was ich fühlen sollte. Was war passiert, dass er nach all der Zeit wieder zur Flasche gegriffen hatte?
Ich fand die Antwort auf dem Küchentisch, fein säuberlich verpackt in ein großes braunes Kuvert.
»Scheidungspapiere«, murmelte ich, als ich den Inhalt des geöffneten Umschlags untersucht hatte. »Scheiße …« Schockiert starrte ich auf die schnörkelige Unterschrift meiner Mutter.
Ich meine, ja, ich hatte irgendwie damit gerechnet, dass es nicht mehr lange gut gehen würde – wenn die eigene Mutter für zwei Monate verschwindet, kann man schon mal auf den Gedanken kommen –, aber so schnell? Einfach so? Sie hatte noch nicht mal angerufen, um mich vorzuwarnen! Oder Dad.
»Verdammt«, flüsterte ich. Meine Hände zitterten. Dad hatte nicht damit gerechnet. Gott. Kein Wunder hatte er wieder angefangen zu trinken. Wie konnte Mom ihm das nur antun? Wie konnte sie das uns nur antun?
Zur Hölle. Im Ernst. Zur Hölle mit ihr.
Ich kämpfte gegen die Tränen an, die mir in den Augen brannten, knallte den braunen Umschlag auf den Tisch zurück und stürmte zu der kleinen Abstellkammer, in der wir die Putzsachen aufbewahrten. Dann schnappte ich mir einen Müllbeutel und ging in das verwüstete Wohnzimmer zurück.
Als ich anfing, die leeren Bierflaschen einzusammeln, brach plötzlich alles über mir zusammen und schnürte mir fast die Luft ab.
Mom würde nicht mehr nach Hause kommen. Dad trank wieder. Und ich musste buchstäblich die Scherben zusammenkehren. Ich versuchte, mich
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