Von wegen Liebe (German Edition)
seine Hand. »Das, was er gesagt hat, tut viel mehr weh«, sagte ich leise. »Mich hat noch nie jemand eine Schlampe genannt, und heute haben gleich zwei Menschen mir mehr oder weniger deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mich für eine halten. Tja, und das Witzige daran ist, dass sie damit ins Schwarze getroffen haben.«
»Das ist nicht witzig«, sagte Wesley. »Du bist keine Schlampe, Bianca.«
»Was bin ich dann?«, fragte ich und hatte plötzlich eine Mordswut im Bauch. Ich schlug seine Hand weg und stand auf. »Ich schlafe mit einem Typen, mit dem ich nicht zusammen bin, und belüge nach Strich und Faden meine Freundinnen … wenn sie überhaupt noch meine Freundinnen sind. Ich denke noch nicht einmal mehr darüber nach, ob es richtig oder falsch ist! Deine Großmutter und mein Dad haben recht – ich bin eine Schlampe.«
Wesley stand ebenfalls auf, packte mich an den Schultern und zwang mich, ihn anzusehen. »Du bist keine Schlampe«, sagte er beinahe wütend. »Hast du gehört, Bianca? Du bist ein intelligentes, vorlautes, zynisches, neurotisches, loyales, mitfühlendes Mädchen. Das bist du, verstanden? Du bist keine Schlampe, keine Nutte oder sonst irgendetwas, bloß weil du ein paar Geheimnisse und Probleme hast … Du bist nur verwirrt … wie wir alle.«
Ich sah ihn erstaunt an. Hatte er recht? Hatte jeder seine Geheimnisse und Probleme? Wahrscheinlich. Ich wusste, dass Wesley genauso verloren und durcheinander war wie ich, also hatte der Rest der Welt mit Sicherheit ebenfalls irgendwelche Schwierigkeiten am Hals.
»Wenn dich jemand Schlampe oder Nutte schimpft, will er dich nur fertigmachen, um von seinen eigenen Schwächen abzulenken«, fuhr er fort, und seine Stimme klang jetzt wieder etwas sanfter. »Auf anderen herumzuhacken ist nun mal einfacher, als sich seinen eigenen Fehlern zu stellen. Ich schwöre dir, du bist keine Schlampe.«
Ich blickte in seine warmen grauen Augen und begriff plötzlich, was er mir zu sagen versuchte. Die Botschaft, die zwischen den Zeilen stand.
Du bist nicht allein.
Weil er verstand. Er wusste, wie es sich anfühlte, verlassen zu sein. Er kannte die Kränkung. Er verstand mich.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Es war das erste Mal, dass ich ihn wirklich küsste. Nicht als Vorspiel für Sex. Es gab keinen Kampf zwischen unseren Mündern. Unsere Körper berührten sich kaum, pressten sich nicht wie sonst aneinander. Unsere Lippen bewegten sich in vollkommener Harmonie. Dieses Mal bedeutete es etwas. Was genau dieses Etwas war, wusste ich noch nicht, aber ich wusste, dass es zwischen uns eine echte Verbundenheit gab. Er hielt mein Gesicht in den Händen und fuhr mir mit dem Daumen sanft über die Wange. Und es fühlte sich nicht krank oder seltsam oder unnatürlich an. Sondern wie die normalste Sache der Welt.
Wir zogen uns gegenseitig aus, dann legte er mich aufs Bett. Diesmal passierte alles ohne Hast und ganz behutsam und zärtlich. Diesmal wollte ich nicht entfliehen. Diesmal ging es um ihn. Und um mich. Um Ehrlichkeit und Hingabe und um alles, von dem ich nie gedacht hätte, es in Wesley Rush zu finden.
Als sich unsere Körper miteinander vereinten, fühlte es sich nicht schmutzig oder falsch an.
Es fühlte sich richtig an.
ACHTZEHN
Als ich am nächsten Morgen die Augen öffnete, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
Der Himmel vor Wesleys Fenster sah düster und kalt aus, aber mir war warm. Durch und durch. Wesley hatte den Arm um mich geschlungen und hielt mich an seine Brust gedrückt, sein gleichmäßiger Atem wärmte meinen Nacken. Es war so friedlich. So perfekt. Ich fühlte mich beschützt und geborgen.
Und das war das Problem.
Ich entdeckte einen rosafarbenen Pulli, der in einer Ecke des Zimmers lag. Er lag dort schon seit Wochen. Die Hinterlassenschaft irgendeines der namenlosen Mädchen, die Wesley mit hierhergebracht hatte. Als ich ihn sah, wurde mir schlagartig bewusst, in wessen Bett ich eigentlich lag. Wer mich im Arm hielt.
Ich hätte mich nicht sicher und geborgen fühlen dürfen. Nicht hier. Nicht mit Wesley. Es war falsch. Ich hätte den dringenden Wunsch verspüren sollen, ihn von mir wegzustoßen. Was war los, verdammt noch mal? Was stimmte nicht mit mir?
Und während ich mich das noch fragte, traf mich die Antwort wie eine Flutwelle. Eine eisige Flutwelle, die über mir zusammenschlug und mich fassungslos und bestürzt zurückließ.
Ich war eifersüchtig auf die anderen Mädchen, mit denen er sich
Weitere Kostenlose Bücher