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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vor allem Maria Stuart, und das Friderizianisch-Preußische. Perfekter Kavalier, der er war, konnte von Eifersüchteleien bei ihm keine Rede sein, und wie's – hier im guten – in den Wald hineinschallte, so schallte es auch wieder heraus. Ich war stets seines Lobes voll, auch ganz aufrichtig, aber in meinem letzten Herzenswinkel doch immer mit einer kleineren oder größeren Einschränkung. Er merkte das auch und fragte mich mal danach. Es brachte mich nicht in Verlegenheit, im Gegenteil, es war mir lieb, und ich sagte: »Ja, Sie haben ganz recht. Es fehlt mir etwas in Ihren Balladen; wenn sie ein
klein bißchen anders
wären, so wären sie ausgezeichnet.« Er lachte. »Nun gut. Aber was ist das ›kleine bißchen‹, das Sie wohl anders wünschten?« Ich habe nicht mehr gegenwärtig, was ich ihm geantwortet habe; wahrscheinlich war es allerlei, was tastend und vermutend um die Sache herum ging. Jetzt nachträglich weiß ich ganz genau, was dies meiner Meinung nach Fehlende war, denn im Älterwerden beschäftigt man sich, durchaus ungesucht, auch mit der Theorie der Dinge. Blomberg las allerhand alte Bücher, fand einen geschichtlichen und anekdotischen Hergang, der ihm gefiel, und brachte diesen Hergang in Verse. Er verfuhr dabei mit großer äußerlicher Kunst, alles war vorzüglich aufgebaut, knapp und klar im Ausdruck, aber trotzdem blieb es eine gereimte Geschichte. Das ist, wie mir jetzt feststeht, ein Mangel. Es muß durchaus noch was Persönliches hinzukommen, vor allem ein
eigener Stil,
an dem man sofort erkennt: »Ah, das ist
der
.« Man denke nur an Heine. So lag es aber bei Blomberg nicht. Die Sachen waren sehr gut, aber sie konnten auch von zehn anderen sein; sie hatten kein Eigenleben. Einige seiner Balladen können freilich als Ausnahmen gelten, so »Die Dame von Faverne« – zuerst in der »Argo« von 1858 erschienen –, ein sehr schönes Gedicht.
    Ich glaube, daß sich Blomberg zu einem sehr guten Schriftsteller, namentlich Kunstschriftsteller – deren es damals nur erst wenige gab – hätte entwickeln können, aber die Malerei war seine unglückliche Liebe. Er mochte schon über vierzig sein, als er sich entschloß, »noch mal von vorn anzufangen«, und in Ausführung dieses Entschlusses nach Weimar ging, um bei Preller oder einem anderen Meister was »Reelles« zu lernen. Ob es was geworden wäre, weiß ich nicht, möcht' es aber fast bezweifeln; es ist damit wie mit der Akrobatik oder dem Klavierspielen, alle Gelenke müssen noch gelenk sein, wenn die Schule durchgemacht werden soll. Im Heraldischen, und darüber hinaus in phantastischer Ornamentik, hat er übrigens, schon während seiner Berliner Tage, ganz Ausgezeichnetes geleistet, das sich der lebhaften Anerkennung auch derer erfreute, die sonst von seinem Malertum nicht viel wissen wollten.
    Er starb, ich glaube, Mitte der siebziger Jahre. Doch nicht von seinem eigenen Tode will ich am Schlusse dieser Skizze sprechen, sondern von einem überaus schmerzlichen Hinscheiden, das er, kurz bevor er nach Weimar übersiedelte, noch in seinem alten Berlin erleben mußte. Zärtlicher Vater, der er war, ging er auch gern mit seinen Kindern spazieren, am liebsten nach einem am Fuße des Kreuzberges gelegenen Kaffeegarten, wo gute Spielplätze waren. An einem schönen Tage war er da mit seinen zwei ältesten Kindern, seiner Tochter Eva und seinem Sohn Hans, einem reizenden, damals neunjährigen Jungen. Es wurde geturnt, gesprungen, und bei den Springübungen, die gemacht wurden, sprang der Junge über einen Tisch fort und fiel, weil er das Ziel nicht recht genommen, in einen Stachelbeerstrauch. Ein kleiner Dorn drang ihm unter dem Auge ein, genau die Stelle treffend, von der es im Volksmunde heißt: »Da sitzt das Leben«. Der Vater zog den Dorn heraus, eine Verletzung war kaum zu sehen, und der Knabe spielte munter und ausgelassen weiter. Erst gegen Abend ging man heim. In der Nacht stellten sich Schmerzen ein, auch Fieber, aber nicht erheblich, und nur, um nichts zu versäumen, ging Blomberg in aller Frühe mit dem Kinde zum Arzt. Dieser streichelte den Jungen, freundliche Worte zu ihm sprechend, nahm dann aber den Vater ins Nebenzimmer und sagte: »Lieber Blomberg, Ihr Junge muß sterben. Morgen um diese Zeit ist er tot.« Und so kam es. Alle Freunde waren bei dem Begräbnis, der alte Pastor Stahn, ein vorzüglicher Herr, sprach rührende Worte, und nicht oft im Leben bin ich so bewegt gewesen wie bei dieser Gelegenheit. Ich weiß nicht, woran

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