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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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das geschriebene Blatt mit einem kleinen Fingerknips auf die Erde fliegen; da sammelte dann seine Tochter Ludovika, damals noch ein Kind, die zahllosen Blätter und ordnete sie. Von Wiederdurchsehen war keine Rede, kein Wort war durchstrichen, alles ging fertig in die Druckerei. Keiner dieser Romane hat sich bei Leben erhalten, und ihr literarischer Wert mag nicht sehr hoch sein, aber sie enthalten eine Stoffülle und sind für den, der Preußisch-Historisches liebt, eine unterhaltliche und lehrreiche Lektüre. Jedenfalls sah sich sein Fleiß belohnt, und so gering auch die Honorare waren, auch wohl sein mußten, es gelang ihm doch, mit ihrem Ertrage die vorgenannte, für einen deutschen Schriftsteller jener Epoche sehr hohe Schuldensumme zu tilgen. Er hinterließ sein Haus in bescheidenen, aber geordneten Verhältnissen.
    Daß er unter der »Ungeordnetheit dieser Verhältnisse« zuzeiten sehr gelitten, mehr, als er zu zeigen liebte, davon war ich an einem mir unvergeßlichen Tage Zeuge. Mitternacht war längst vorüber, und wir schlenderten, nach einem der vorgeschilderten Symposiums, von der Neuen Friedrichsstraße her auf unsere Wohnungen zu, die nahe beieinander lagen. Es war eine wunderschöne Winternacht, nicht kalt, prächtiger Sternenhimmel; so kamen wir bis vor meine Behausung in der Puttkamerstraße und schritten noch ein paarmal auf und ab, weil wir bei einem sehr wichtigen Gespräch waren, nämlich bei dem Thema, wie man sich in Geldverlegenheiten einigermaßen helfen könne. »Ja,« sagte ich, »'s ist sonderbar; es geht mir ja mehr als bescheiden, aber ich würde nicht sonderlich darunter leiden, wenn ich nur dann und wann einen Pump zustandebringen könnte. Das kann ich aber nicht. Ich habe durchaus kein Talent zu dergleichen; ich bin zu
ungeschickt

    Als ich dies große Wort gelassen ausgesprochen hatte, trat er einen Schritt zurück, und ich sah, wie der letzte Rest von Rausch förmlich von ihm abfiel. Dann kam er wieder auf mich los, sah mich ernst und beinahe gerührt an und sagte, während er seine Hand auf meine Schulter legte: »Gott erhalte dir diese Ungeschicklichkeit. «
    Und diese Segnung, denn fast war es so was, hat sich auch an mir erfüllt, und ich habe das Schuldenmachen nie gelernt. Daß es mir in meinem Leben so gut gegangen ist, das verdanke ich nicht zum kleinsten Teile der Andauer jener »Ungeschicktheit«, die mir damals mein guter Hesekiel anwünschte.
     
    Meine Beziehungen zu Hesekiel waren bis 1855, wo ich Berlin auf eine Reihe von Jahren verließ, nur oberflächlich; erst von 1859 an wurden sie freundschaftlich. Er leistete mir damals einen großen Dienst, indem er mich aus einer mehr oder weniger bedrücklichen Lage befreite.
    Das hing so zusammen.
    Ich war in dem zuletzt genannten Jahre von England nach Berlin zurückgekehrt, trotzdem die Zeit, die mir der Minister Manteuffel für den Verbleib in meiner Londoner journalistischen Stellung zugesichert hatte, kaum halb abgelaufen war. »Bleiben Sie doch ruhig hier«, hatte mir mein Londoner Chef, der immer gütige Graf Bernstorff, in einem über diese Dinge geführten Gespräche zugerufen. »Das in Berlin da, das dauert nicht lange.« Die Richtigkeit davon leuchtete mir auch ein. Aber meine Sehnsucht nach den alten Verhältnissen – in London, so sehr ich es liebte, blieb ich doch schließlich ein Fremder – war groß und trieb mich fort, trotzdem ich wohl einsah, daß es bei meiner Rückkehr mit meinem Verbleiben in der Regierungspresse schlecht aussehen würde. Wer unter Manteuffel, wenn auch nur in kleinster und gleichgültigster Stelle, gedient hatte, war mehr oder weniger verdächtig. Ich also auch. Mir wurde das, kaum in Berlin wieder eingetroffen, auch gleich fühlbar, berührte mich aber so kolossal komisch, daß ich zu keinem Ärger darüber kommen konnte. »Mußt du eine wichtige Person sein«, sagte ich mir, während ich doch am besten wußte, daß ich so gut wie gar nichts geleistet hatte. Chef der ministeriellen Presse war unter dem neuen Regime, der sogenannten »Neuen Ära«, Geheimrat Max Duncker geworden, ein sehr liebenswürdiger Herr, der von der oben beklagten Eigenart der Gothaner gar nichts oder doch nur sehr wenig aufwies. Ich kam aber trotzdem nicht recht an ihn heran. Alles, während es sich doch – wenigstens uns kleinen Skribenten und Korrespondenten gegenüber – immer nur um Quisquilien handelte, wurde so furchtbar wichtig genommen, und so schied ich denn aus, um anderweitig mein Heil zu

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