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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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heißt: ›Où est la femme?‹, da frag' ich hierlandes unwillkürlich: ›Où est le prêtre?‹« – Ganz besonders reizend war er, wenn er seine Schriftstellerei bewitzelte. Einmal stritt man sich und holte das Konversationslexikon heran, um ihn mit Hülfe desselben zu bekämpfen. Da kam er in eine helle Heiterkeit. »Wer selber so viele hundert Artikel dafür geschrieben hat wie ich, den müssen Sie mit dem Konversationslexikon nicht widerlegen wollen.«
    In diesem Stile sprach er beständig, und weil mir das alles ganz ausnehmend gefiel, wurd' ich mehr und mehr sein Anhänger und habe sehr viel von ihm gehabt. »Ich marchandiere nicht«, war eine seiner Lieblingswendungen, und zu dieser Wendung war er voll berechtigt. Walter Scott war sein Vorbild, literarisch gewiß, aber auch in Repräsentation und Lebensführung. Diese letztere – in natürlicher Folge beschränkterer Verhältnisse – konnte selbstverständlich nicht so vornehm sein wie die seines großen Vorbildes, aber an Splendidität und Geldverachtung, halb aus Güte und halb aus Laune, war er ihm womöglich noch überlegen.
    Sein »Ich marchandiere nicht« hab' ich an manchem Abend erlebt, mitunter halb schaudernd. Wenn um acht die Tunnel-Sitzung schloß, so hieß es seinerseits, wenn er nicht gerade was anderes vorhatte: »Ja, was machen wir nun mit dem angebrochenen Abend?« Und ehe noch wer antworten konnte, waren auch schon etliche von den Jüngeren eingeladen, im »Großfürst Alexander« – Neue Friedrichsstraße – seine Gäste zu sein. Die Vornehmeren unter uns lehnten natürlich ab, aber wer seine Bedenken einigermaßen bezwingen konnte, nahm gern an, weil er sicher war, einem zwar anfechtbaren, aber immer interessanten Bacchanal entgegenzugehen. In Kolonne rückten wir nun in das vorgenannte Hotel ein, wo Hesekiel, ich weiß nicht worauf hin, unbeschränkten Kredit hatte. Mit Rotwein oder Mosel zu beginnen, wäre lächerlich gewesen; es gehörte zum guten Ton, mit schwerem Rheinwein, am liebsten mit Sherry, Port oder herbem Ungar einzusetzen, und eh eine Stunde um war, hatten wir ein Wettschwimmen in Zynismen. In Zynismen, aber nicht in Unanständigkeiten. Alles wurde gesagt, aber doch in der Form wohlerzogener Menschen, ja, Hesekiel war stolz darauf, in jedem Zustande sich immer noch in der Gewalt zu haben. »Sieh,« sagte er mal zu mir, »manche denken, der und ich, wir wären so einerlei; aber
der
ist so, und
ich
bin so« und nun führte er den Unterschied in einem drastischen Vergleiche aus. Was an solchem Abende vertilgt wurde, war unglaublich, und noch unglaublicher war die Zeche, wenn man bedenkt, daß ein Mann von damals sehr bescheidenem Gehalt das alles auf seine Kappe nahm. Es kam denn auch dahin, daß, nachdem dies etwas protzige »doing the honours for all Scotland« ein Jahrzehnt lang gedauert hatte, seine zu sehr wesentlichem Teil durch ebendiese Repräsentationskomödie herbeigeführte Schuldenlast wohl über 10000 Taler betrug, wovon die größere Hälfte auf Zinsen, Wechselprolongationen und dergleichen entfiel. Er näherte sich inzwischen den Fünfzigen, und da nicht bloß seine Schulden, sondern auch seine Gichtschmerzen immer größer wurden, so kam er eines schönen Tages auf den gesunden Gedanken, mit seinem »Schottland die Ehre tun« endgültig Schicht zu machen und lieber seine Schulden abzuzahlen. Und dem unterzog er sich dann auch von Stund an – auch darin seinem Vorbilde Walter Scott gleichkommend – mit eisernem Fleiß und in geradezu großartigerWeise. Tieck hat einmal gesagt: »Einen dreibändigen Roman schreiben, ist immer was, auch wenn er nichts taugt«, und jeder, der von Fach ist, wird in diesen Ausspruch einstimmen. Aber was will ein dreibändiger Roman sagen neben zwanzig, dreißig Bänden. Ich besitze selber noch weit über fünfzig seiner Bände, während mir doch vieles von ihm verlorengegangen ist. Nur ein Mann von äußerster Energie konnte das leisten, und mitunter ist es ihm auch sauer genug geworden. Es wird von Ney erzählt, daß er, bevor er in die Schlacht ging, immer erst Kurbetten gemacht und Kreise beschrieben habe; genauso verfuhr auch Hesekiel. An Tagen, wo's ihm ganz besonders widerstand, ging er zunächst viele Male, wie mit sich kämpfend, um seinen Schreibtisch herum, und erst wenn er alles Widerstrebende niedergezwungen, sich für seine Aufgabe montiert hatte, nahm er seinen Platz und begann zu schreiben. Er schrieb auf Quartblätter, die aufgestapelt vor ihm lagen, und ließ

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