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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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als kluger Feldherr, in den Gedanken ein, die Produktion von »mehr als einem Akt pro Jahr« als Überproduktion oder, was dasselbe sagen will, als ein Etwas anzusehen, das er vor dem Ernst der Kunst nicht verantworten könne. Dank dieser seiner halb echten, halb erkünstelten literarischen Gewissenhaftigkeit kam er in die für seine Finanzen überaus glückliche Lage, der Ungeduld seiner Schwiegereltern gegenüber auf das langsame Heranwachsen der fünf Akte seines Zukunftsdramas als auf etwas durchaus »Höheres« hinweisen zu können Aber freilich, zuletzt mußte doch mal was kommen. Und es kam auch. Nur leider zu keines Menschen Freude, nicht einmal zu der des Dichters. Das Stück – ein »König Herodes« – war verfehlt, mußte verfehlt sein; denn sein Verfasser, wie die meisten Stückeschreiber, die sich, allem anderen vorauf, an Verse-Heraustiftelung machen, hatte wenig dramatisches Talent. An einem Stück ist die Sprache zunächst ganz gleichgültig. Erst wenn es von der Bühne her gefallen hat, wird man sich damit beschäftigen, ob es auch dichterisch und sprachlich von Wert ist. Hülsen, ein Freund Lepels, nahm das Stück an, aber alle Bemühungen konnten es nicht halten; es kam über drei Aufführungen nicht hinaus. Ich lebte damals in London und schrieb ihm, ich hätte von den drei üblichen »Schleifungen über die Bühne« gelesen und erwartete von seinem guten Humor, daß er sich rasch über die Sache trösten werde. Damit war es aber nichts; er war tief verstimmt, und so beispiellos gütig und nachsichtig er sonst gegen mich war, das Wort von den »drei Schleifungen« hat er mir nie verziehen.
    Als ich bald darauf nach Deutschland zurückkehrte, sprachen wir über all das, und ich sagte: »Nun, Lepel, ein Gutes hast du doch von deinem ›Herodes‹ gehabt: in den Augen deiner Familie dienst du darin der ›rechten Sache‹, und schon um deshalb werden sie mit dir zufrieden sein.« Er lächelte wehmütig. »Ach, Fontan, ich habe mich in allem verrechnet. Sie sind gar nicht so sehr gegen die Schreiberei als solche, wie ich immer angenommen habe; sie verlangen bloß – daß es endlich was einbringt. Und daß dieser ›Herodes‹ so gar nichts eingebracht hat, das ist schlimmer als alles andere.«
     
    Durch mehr als vierzig Jahre hin bin ich an meines alten Lepels Seite gegangen. Blick' ich auf diesen langen Abschnitt zurück, so drängt sich's mir auf, daß sein Leben ein zwar interessantes und zeitweilig auch glückliches, im ganzen aber doch ein verfehltes war. Es war ihm nicht beschieden, an die rechte Stelle gestellt und an dieser verwendet zu werden. Daß er als Offizier in der Garde begann, war gut, und daß er Italien erst in Land und Leuten und dann, durch immer wiederholten Aufenthalt, auch in Kunst und Sprache genau kennenlernte, das war noch besser. Aber daß er mit dreißig Jahren den Abschied nahm, um sich von einem so frühen Zeitpunkt ab nicht gerade beschäftigungs-, aber doch ziel- und steuerlos umhertreiben zu lassen, mal als Landwirt und mal als Dramatiker, mal auch als Erfinder und Tiftler – er suchte das Perpetuum mobile und »hatte es auch beinahe« –, das alles war beklagenswert und um so beklagenswerter, als in ihm ganz klar vorgezeichnet lag, was er hätte werden müssen. Er war der geborene Hofmarschall eines kleinen kunst- und wissenschaftbeflissenen Hofes und würde da viel Gutes gewirkt haben. Er besaß für eine solche Stellung nicht weniger als alles: ein verbindliches und doch zugleich dezidiertes Auftreten, Stattlichkeit der Erscheinung, natürliche Klugheit, Wohlwollen, Erzähler- und Rednergabe, Sprachkenntnis und vor allem die Gabe, Festlichkeiten mit Kunst und Geschmack zu inszenieren. Er wußte recht gut, daß diese Dinge nicht die Welt bedeuten; aber er nahm sie doch auch nicht als bloße Spielerei, wodurch alles, was er auf diesem Gebiete tat, eine gewisse höhere Weihe empfing. Annehmen möcht' ich, daß er sich persönlich schon als junger Offizier mit solchen Plänen getragen hat. In seiner Familie lag, wie erblich, ein auf all dergleichen gerichteter Zug, und der »alte Onkel in Rom« mochte ihm wie ein Vorbild erscheinen. Jedenfalls war er mit einer nach dieser Seite hin liegenden wissenschaftlichen Ausbildung seiner selbst von jungen Jahren an beschäftigt. Bücher wie Malortie, Knigge, Rumohr wurden gewissenhaft von ihm durchstudiert, noch mehr aber französische und italienische Memoiren und Hofgeschichten, aus denen er sich Regeln

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