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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ihm im »Exotischen« gleich –, zu den interessanteren Figuren des Vereins. Bereits sein Doppelname »Wollheim da Fonseca« sorgte dafür.
Sah
man ihn,
so
war er ganz Wollheim,
hörte
man ihn, so war er ganz da Fonseca. Er spielte sich nämlich in allem, was er sagte, ganz besonders aber wenn sogenannte »große Fragen« berührt wurden, auf den scharfen
Katholiken
hin aus, was ausgangs der vierziger Jahre fast zu einem Tunnel-Duell geführt hätte.
    Dies kam so. Wollheim bewohnte, während seines Berliner Aufenthaltes, ein bescheidenes kleines Zimmer in der Luisenstraße und hatte über dem Waschtisch, der dicht neben der Eingangstür in einer durch Wand und Kleiderschrank gebildeten Ecke stand, eine »Ewige Lampe« angebracht. Diese »Ewige Lampe« schockierte mehrere Vereinsmitglieder, besonders den Charité-Rendanten Müller, der im Tunnel natürlich »Ernst Schulze« hieß und sich – vielleicht um sich als solcher zu legitimieren – dann und wann in ursentimentalen Gedichten erging. Diese Sentimentalität hielt ihn aber nicht ab, mit vieler Malice darüber nachzusinnen, wie er dem da Fonsecaschen Erzkatholizismus, an den er natürlich nicht glaubte, einen Schabernack spielen könne. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Müller erschien eines Sonntags bei Wollheim, um diesen zum Tunnel abzuholen, und im selben Augenblicke, wo man das Zimmer gemeinschaftlich verlassen wollte, trat Müller an das kleine Binsennachtlicht heran, steckte sich die Zigarre an und pustete dann die »Ewige Lampe« aus. Daraus entstand eine sehr heftige Szene, und am nächsten Sonntag sollte die Sache im Grunewald, ganz in der Nähe von Pichelsberg, mit Pistolen ausgefochten werden. Zum Glück hatte Louis Schneider die Sache in die Hand genommen und hielt, als man sich in zwei großen Kremsern dem Pichelsberger Gasthause näherte, eine seiner berühmten Ansprachen, worin er ausführte, daß, laut Tunnel-Statut, konfessionelle Gegnerschaft als für beide Teile straffällig angesehen werde, daß das Duell außerdem ein Unsinn und unter allen Umständen ein mehrfacher Flaschenwechsel einem einfachen Kugelwechsel vorzuziehen sei. Damit waren schließlich beide Parteien einverstanden, und alle kamen bekneipt nach Hause.
    Daß Wollheim ein schöner Mann gewesen wäre, wird sich nicht behaupten lassen, aber er besaß einen so echten und ausgesprochenen semitischen Rassenkopf, daß er jedem, der ein Auge für derlei Dinge hatte, notwendig auffallen mußte, was denn auch dahin führte, daß ihm, während einer Tunnel-Sitzung, sein Gesicht auf den Daumennagel eines unserer Maler wegstibitzt wurde, natürlich nur, um bald darauf auf einem berühmt gewordenen Kunstblatte weiterverwandt zu werden.
    Wollheim war sehr klug und besaß vor allem ein hervorragendes Sprachtalent. Er hatte sich aber das »Fabulieren« so hochgradig angewöhnt, daß es von ihm hieß, »er spräche dreiunddreißig Sprachen und löge in vierunddreißig«. Dies sein beständiges Fabulieren und vielleicht mehr noch seine Haltung, in der ein gewisses schlaffes Sichgehenlassen hervortrat, ließ es geschehen, daß frisch eingetretene Mitglieder sich Schraubereien mit ihm erlauben zu dürfen glaubten, was dann aber jedesmal eine große Niederlage für die Betreffenden zur Folge hatte. Denn sein Wissen und sein Witz waren immer sehr überlegen. Er war jedem Scherz zugänglich; wer aber seinen
Spaß
mit ihm treiben wollte, dem gegenüber verstand er keinen Spaß. So schlaff er aussah, so energisch war er.
    1852, wie schon hervorgehoben, verließ er Berlin, um nach Hamburg zurückzukehren. Er blieb nun, durch viele Jahre hin, in seiner Geburtsstadt und wandte sich zunächst ganz dem Theater zu. 1858 bis 1861 war er Direktor des Stadttheaters, 1868 des Floratheaters in Sankt Georg. Der deutsch-französische Krieg rief ihn noch einmal in die Welt hinaus, und er wurde Redakteur des »Moniteur officiel du Gouvernement général à Reims«. In dieser Stellung war er mit so gutem Erfolg tätig, daß ihm das Eiserne Kreuz verliehen wurde.
    Dies war aber auch der letzte Glücksschimmer, der ihn traf. Es ging rasch bergab, und was ihn schließlich vor dem Äußersten bewahrte, waren nicht seine Talente, sondern hochherzige Unterstützungen, die sein Vetter Cäsar Wollheim in Berlin ihm zuwandte. Diese Zuwendungen blieben ihm auch bis an sein Ende, trotzdem sein letztes Tun – eine von der Familie Cäsar Wollheim beanstandete Heirat – seine Situation ziemlich ernstlich gefährdete.
    Seine

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