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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Jahren zum erstenmal erblickt hatte. Der einzige Unterschied war, daß die Eisengitter während des Krieges, als man Metall für die Rüstung brauchte, abgeholt worden waren und daß unsere Namensschilder jetzt an der Mauer hingen.
    Helen und ich schliefen in dem großen Raum, in dem ich in meiner Junggesellenzeit gewohnt hatte, und Jimmy war in dem Zimmer untergebracht, in dem Siegfrieds Bruder Tristan als Student genächtigt hatte. Tristan hatte uns leider verlassen. Im Krieg war er zum Schluß Captain im Royal Army Veterinary Corps gewesen. Inzwischen hatte er geheiratet und war als Infertility Investigation Officer ins Landwirtschaftsministerium eingetreten. Er hinterließ eine traurige Lücke in unserem Leben, aber zum Glück sahen wir ihn und seine Frau regelmäßig.
    Ich öffnete die Haustür. Im Flur schlug mir der würzige Duft gemahlener Kräuter entgegen. Es war ein aromatischer Puder, den wir unter unsere Medikamente mischten. Der Geruch, der für mich etwas Anregendes hatte, hing überall im Haus – er gehörte zu unserem Beruf.
    Etwa in der Mitte des Flurs befand sich eine Tür zu dem schmalen, langen, von hohen Mauern umgebenen Garten. Ich ging daran vorbei und betrat unsere »Medikamentenkammer«, einen Raum, dessen Bedeutung nun im Schwinden begriffen war. Reihen schön geformter Glaskrüge mit eingravierten lateinischen Namen sahen mich an: S PIRITUS , A ETHERIS , N ITROSI , L IQUOR , A MMONII , A CETATIS , F ORTIS , P OTASSII N ITRAS , S ODII S ALICYLAS . Mein Kopf war vollgestopft mit Hunderten von solchen Namen, mit den Eigenschaften dieser Stoffe, ihren Wirkungen, ihrer Anwendung und ihrer Dosierung bei Pferden, Ochsen, Schweinen, Schafen, Hunden und Katzen. Aber bald würde ich sie alle vergessen haben und mich nur noch fragen, wieviel ich von diesem oder jenem neuen Antibiotikum verabreichen durfte.
    Es sollten noch einige Jahre vergehen, bis die Steroide in Erscheinung traten. Aber auch sie sollten eine kleine Revolution auslösen.
    Als ich die Apotheke verließ, stieß ich fast mit Siegfried zusammen. Er kam durch den Flur gestürmt und griff aufgeregt nach meinem Arm.
    »O James, ich habe dich gerade gesucht. Ich hatte einen scheußlichen Morgen. Der Auspuff von meinem Wagen ist abgerissen, als ich über den schrecklichen Feldweg nach High Liston fuhr, und jetzt habe ich kein Auto. Sie haben nach einem neuen Auspuff geschickt, aber bis er kommt und montiert ist, liege ich auf der Straße. Es ist zum Verrücktwerden!«
    »Schon gut, Siegfried. Ich übernehme deine Besuche.«
    »Nein, nein, James, das ist nett von dir, aber verstehst du, so etwas kann immer wieder vorkommen. Darüber wollte ich mit dir sprechen. Wir brauchen einen zusätzlichen Wagen.«
    »Einen zusätzlichen?«
    »Ja, genau. Es braucht ja kein Rolls-Royce zu sein. Irgendein Auto, auf das man zurückgreifen kann in einer Situation wie dieser. Ich habe schon in der Werkstatt angerufen. Hammond bringt uns einen passenden Wagen, damit wir ihn uns ansehen können. Ich glaube, da höre ich ihn schon kommen.«
    Mein Partner war für schnelles Handeln. Ich folgte ihm zur Haustür. Mr. Hammond war da, mit einem Vehikel, das er uns vorführen wollte. Es war ein 1933er Morris Oxford. Siegfried ging die Stufen hinunter und trat auf ihn zu.
    »Hundert Pfund sagten Sie, nicht wahr, Mr. Hammond?« Er ging ein paarmal um den Wagen herum, kratzte hier und da ein Stückchen Rost von dem schwarzen Lack, öffnete die Türen und besah sich die Polsterung. »O ja, er hat bessere Tage gesehen, aber die äußere Erscheinung ist nicht so wichtig. Hauptsache, er läuft gut.«
    »Es ist ein robuster kleiner Wagen, Mr. Farnon«, sagte der Werkstattbesitzer. »Die Zylinder sind vor kurzem nachgeschliffen worden, und er verbraucht kaum Öl. Neue Batterie, und die Reifen haben noch ein ganz gutes Profil.« Er setzte die Brille auf seine lange Nase und reckte seine dürre Gestalt.
    »Hm.« Siegfried setzte den Fuß auf die hintere Stoßstange. Die alten Federn quietschten. »Wie ist es mit den Bremsen? Das ist wichtig in dem hügligen Gelände hier.«
    »Sie sind ausgezeichnet, Mr. Farnon. Erstklassig.«
    Mein Kollege nickte bedächtig. »Gut, gut. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mal eine kleine Rundfahrt mache?«
    »Nein, nein, natürlich nicht«, erwiderte Mr. Hammond. »Prüfen Sie ihn nur auf Herz und Nieren.« Er war ein Mann, der auf seine Gelassenheit stolz war, und so stieg er vertrauensselig auf den Beifahrersitz, als mein Partner sich

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