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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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interessanterweise das Britische Museum übernahm, und das ohne jede Verzögerung bis auf ein anhaltendes, unmotiviertes Lachen von Sir Brian, der sogleich die Order unterzeichnete, und die technische Ausführung lief dann wie am Schnürchen. Kaum hatte der Metallgießer die Maße erhalten, brauchte er kaum drei Stunden, um die Formen zu schaffen, und goss sie dann über Nacht, sodass die Kutscher schon am folgenden Morgen die Zungen in ihren Kirschholzrahmen ins Britische Museum schaffen konnten. Dort stellte sich heraus, dass die kleinste davon etwas zu groß geraten war und nicht 1,67, sondern 1,69 Meter im Durchschnitt maß. Doch dieses Problem wurde dann kurzerhand von einem herbeigerufenen Tischler gelöst, der den Überstand abhobelte.
    Am späten Nachmittag standen im Depot XXIII folgende Personen vor den mit Zungen ausgestatteten Köpfen:
     
    Sir Brian
    Lord Camden, ein Kurator
    Lady Camden, seine dritte Frau, die gelangweilt die Hand in die Hüfte stemmte und eine Zigarette am Stiel rauchte
    Die große Mutter
    Sherlock Holmes
    Voodoo Holmes
    Dr. Watson
    Mr. Craddock
    Mr. Benson
    Dreizehn weitere Personen, die schweigend gafften.
     
    „ Großartig. Einfach großartig“, sagte Sir Brian, „ich meine, der ästhetische Wert allein ist großartig. Was für Zungen. Was für Erotik!“
    „ Ja, fürwahr“, pflichtete Lord Camden bei. „Ich habe Dr. Sigmund Freud gelesen, die Traumdeutung, ein herrliches Buch für einen Österreicher. Sagen Sie, stimmt es, dass der Mann Jude ist?“
    „ Ja. Ausgezeichnet“, sagte Sir Brian, ohne genauer hinzuhören.
    Dann drehte er sich um und sagte zu Craddock: „Und wie machen wir das jetzt, haben wir eine Windmaschine oder so etwas Ähnliches? Wir lassen uns doch nicht die Zungen machen und dann geben wir uns geschlagen, weil hier im Keller kein Wind weht, oder?“
    „ Bedauerlicherweise, Sir...“ begann Craddock.
    „ Papperlappapp, Craddock. Wir haben doch Windmaschinen.“
    „ Vielleicht tun es auch Blasebälge, Sir?“
    „ Ja, wenn wir so große Blasebälge haben, Craddock.“
    „ Es gibt nichts, was das Britische Museum nicht hat, Sir. Wir nehmen die chinesischen, Sie wissen schon, die Dingsda.“
    „ Ach ja. Ausgezeichnete Idee, Craddock. Diese ... diese, so eine Art Raketen zum na ja, Wind machen eben. Und Sie haben behauptet, wir hätten keine Windmaschinen!“
     
    Es begann nun eine Warteperiode, bei der Lord und Lady Camden sowie dreizehn Personen letztendlich so gelangweilt waren, dass sie entnervt das Depot XXIII verließen, bis dann die Nachricht kam, dass man die chinesischen Dingsda leider nicht aufgefunden hatte. Mittlerweile war es Abend geworden und das Museum wurde gesperrt. Nun gingen alle anderen. Die einzigen, die blieben und sich über Nacht mit Decken und Kerzen und Proviant einsperren ließen, waren Voodoo Holmes und die große Mutter, und das in schweigender Übereinstimmung. Als sich die Tore geschlossen hatte, saßen sie eine Weile vor den Köpfen, die nun dunkle Keile in den Mäulern stecken hatten, bis sich die Augen an das Licht gewöhnt hatten und man hier wie im Hellen saß. Dann kramte Holmes in seinem Proviantbeutel und zog etwas heraus, das zuerst wie eine Schale mit Löchern aussah. Kaum hatte er diese aber über den Kopf gestülpt, war es eine bunt bemalte Maske mit drei Löchern für die Augen, und aus jedem Loch starrte eines davon. Er stellte sich vor der Maske mit dem größten Maul auf und sagte: „Verwende deine Zunge.“
    Es war still in dem verließartigen Raum. Man hörte nur den Atem der beiden Menschen, die hier eingeschlossen waren.
    „ Ich weiß, sie ist hart. Ich weiß, Dein Atem ist flach. Aber nimm unseren Atem und lasse ihn über deine Zunge streichen und wir werden dich hören“, sagte Holmes beschwörend.
    Eine Weile hörten sie nur ihren Atem, und dann war da etwas wie ein anderer Atem. Sie konnten selbst nicht aufhören zu atmen, doch wenn sie ihren Atem anhielten, war da etwas, und sie taten es instinktiv gleichzeitig, weil sie es beide hörten, und warteten, aber es tat sich dann nicht mehr. Sie hatten beide das Gefühl, das es nichts gewesen war, was sie da hörten, nur Einbildung, nur ein Ausdruck ihres Wunsches vielleicht, einen Ton sich lösen zu hören.
    „ Du bist müde, und du hast lange nicht gesprochen. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, in der du sprechen kannst. Mach deinem Herzen Luft, und nimm dafür die Luft unseres Atems“, sagte Holmes. „Wir wollen dich hören. Wir rufen dich. Gib

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